GENUSS & REISE

Wilde WInzer

Weinverkostung auf Schloss Kastelbell in Südtirol mit zwanzig jungen Spitzenwinzern und einer phantastischen „Donna del Vino“.
Autor: 
Sonja Still
, Fotograf: 
Advertorial
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Wilde WInzer

Altehrwürdig thront das Schloss Kastelbell über der Etsch. Weinstöcke stehen auf der einen Seite, auf der anderen Apfelbäume. Der Vinschgau ist der Apfelgarten Südtirols. Der Vinschgau hat aber auch eine uralte Weinbautradition, die bereits vor der Römerzeit begann. Die paar Jahrtausende Geschichte, die alte Burg, die hohen Berge – all das wirkt auf den ersten Blick höchst altehrwürdig. Diese Vorstellung wird hinfällig, wenn man die schiefen, abgelaufenen Felstreppen erreicht. Ein kantiger Kerl, ziemlich mit Tattoos überzogen, schleppt Gläser und Flaschen in das Burggemäuer hinauf. Ein anderer hat einen voluminösen XL-Vollbart wie Jason Momoa. Dann kommt ein junger Mann, spindeldürr, drahtig, fast ein wenig blass, daher. In ihrem kehligen Dialekt erzählen sie sich wohl etwas Wichtiges. Das ist selbst für bairisch sprechende nicht alles verständlich. Klar wird nur: Sonya ist da. Sie hat gesagt, wo sie sich mit ihren Weinen aufbauen können und, dass auch Stefano Tesi angereist ist. Beides ist für die jungen Mannsbilder eine großartige Nachricht!

Sonya ist eine Größe in der Weinwelt Italiens. Seit dreißig Jahren schon arbeitet sie mit ihrem Mann zusammen im Restaurant Kuppelrain. Er, Jörg Trafoier, hält seit fast von Beginn an einen Michelin-Stern. Ihre Vorliebe galt immer den Weinen. Sonya heißt mit ganzem Namen Sonya Egger und ist die „Donna del Vino“. Sie wurde vom Guide Michelin zur Sommelière dieses Jahres ernannt. Sonya steht auf der obersten Stufe – also nicht nur im Sinne der Auszeichnung –, sie steht auch hier im Schloss Kastelbell direkt vor einem, auf der obersten Stufe vor dem Burgtor. Weiße Jeans, weiße Spitzenbluse, weiße Plateau-Sneaker. Dicke schwarze Brille, Zahnspange. Die Mittfünfzigerin sieht aus wie ein junges Mädchen, passt irgendwie gut zu den coolen Jungbauern. Zusammen verkörpern sie eine vielversprechende Zukunft. Sonya arbeitet schon seit Jahrzehnten mit den hiesigen Weinbauern. Es ist ein gegenseitiges Stützen: Die Winzer arbeiten mit und für sie. Sie bekommt eigene Flaschen und Abfüllungen für ihr Restaurant, sie kann auch ihren eigenen Sekt oder Wein bei ihnen ausbauen. Jetzt aber nutzt sie die Chance, den jungen und noch unbekannteren Weinbauern eine Bühne zu geben. Von jedem der zwanzig weiß Sonya genau, wo sie ihre Stöcke in welchen Lagen anbauen, wie sie ausbauen, was sie mit dem Wein machen – und natürlich, wie er schmeckt.

Sonya ist aber auch im Süden Italiens bekannt. Arbeitet mit römischen und kalabrischen Weinbauern. Auch wenn der Guide Michelin ihr jetzt erst den Preis verlieh: Sie ist ein alter Hase im Geschäft. Mehrfach wurden ihr Restaurant, ihr Weinkeller und die Patisserie ihrer Tochter Nathalie ausgezeichnet. Man kennt Sonya in Italien. Darum war es für sie einfach, sie hat auch Stefano eingeladen. Stefano Tesi gilt als einer der renommiertesten Weinkritiker Italiens. Er ist extra aus der Toscana angereist. Dort lebt er auf einem Landsitz aus dem siebten Jahrhundert, der seiner Familie seit Jahrhunderten gehört. La Tenuta di Monte Sante Marie führt er heute als „organic-devoted isle for food excellence“ – das ist mehr als bio! Er verkostet Wein. Aber eben nicht mit ein bisschen Schmecken, ein bisschen Glasspülen und Schnuppern. Es ist ein Erlebnis, ihm zuzuschauen und zu lernen: Wann schmeckt man was? Wie entfalten sich der Geschmack und der Geruch in Gaumen und Nase? Wie bezeichnet man es, was man da wahrnimmt? Nach drei Verkostungen sind die Geschmacksnerven bei den Neutestern völlig überlastet – nicht so bei Stefano. 64 Weine probiert er bei der Verkostung und beschreibt sie. „Meine Rekordzahl lag einmal bei 86 verschiedenen Weinen“, sagt er. „Aber danach ging wirklich gar nichts mehr.“ Hier hätte er heute 93 schaffen müssen. Denn so viele Weine kredenzen die Vinschger Weinbauern.

Die meisten der jungen Winzer, die sich in Kastelbell präsentieren, stammen aus dem unteren Vinschgau, aus der Gegend zwischen Partschins und Schlanders. Angebaut wird auf einer Höhe von 500 bis 1000 Metern über Normalnull. Das trockene Klima zeichnet sich durch starke Temperaturschwankungen aus. Heiße Tage, sehr kalte Nächte. Hauptsächlich werden hier Riesling, Weißburgunder, Spätburgunder, Vernatsch und Gewürz-traminer angebaut, die Palette ist aber offensichtlich viel größer. Es ist nicht einfach, im Vinschgau an Land zu kommen, auf dem man Wein anbauen kann. Die Parzellen sind alle vergeben oder werden von den Apfelbauern genutzt. Viele der jungen Winzer, die hier dabei sein können, haben den Hof von den Eltern übernommen und neu ausgerichtet. Das war ein Schritt, der nicht immer einfach durchzusetzen war bei der älteren Generation. Aber sie sind voller Mut. Sebastian Tonner ist so einer von ihnen. Der 36-Jährige ist der erste Mann seit mehreren Generationen, der den Hof nun wieder führt. Der Krieg und das Schicksal hatten Großmutter und Mutter gezwungen, die alte Hofstelle in Galsaun alleine zu bewirtschaften. Nun gibt’s neuen Wein. Angebaut werden die Trauben im „Pfaffenegg“, auf 600 m Höhe. Es ist eine besonders sonnenexponierte und vor den Unwettern des Talbodens geschützte Lage. Bis ins 13. Jahrhundert lässt sich zurückverfolgen, wie der Wein hier angebaut wurde. Der Boden, aus Kalkglimmerschiefer-, Marmor und Paragneisböden ist unverändert fruchtbar. Die steile Hanglage zwingt, alles ausschließlich von Hand zu ernten. Sebastian erzählt, wie er ausbaut, was er macht. Elegant, bodenständig und facettenreich ist der Wein vom Josmoarhof, sagt er. „Ich wills gut machen“, lacht er. „Ich werde Vater, wir wollen die Zukunft feiern.“ Selbstverständlich macht er’s gut. Stefano Tesi kostet seinen Chardonnay 2021 (Südtirol IGT). Sein Urteil: „Der Holzdurchgang verleiht dem Wein zarte Toffee-Noten und einen reichen und vollmundigen, aber nicht aufdringlichen Geschmack.“ Ein anderer Wein, den Stefano heraushebt, kommt von einem der jüngsten Winzer, die sich hier vorstellen. Florian Schönthaler ist 30 Jahre alt, kommt vom Oberrieglhof in Schlanders und hat gleich drei Weine, die er vorstellt. Zwei Weißweine, einen Sauvignon „Stuanig“ und einen Kerner „Kernig“ und einen Roten, einen Zweigelt „Bearig“. Er hat erst 2016 am Sonnenberg von Schlanders auf 850 m Höhe junge Rebstöcke auf dem steinigen, sandigen Boden angepflanzt. Jetzt gibt es die ersten Weine von der Steillage. „Angenehm und komplex, dicht in der Nase, breiter und gefasst im Mund“, beschreibt es Stefano. Florian muss sich jetzt erstmal eine eigene Website bauen, damit er den Wein auch verkaufen kann. Bislang gibt es ihn vor allem bei Sonya im Restaurant und im Hofladn. Da steht Leo Forcher vom Rebhof in Kastelbell schon ganz anders da. In seinem traditionsreichen Weinkeller hütet er Schätze seit Generationen. Sein Vernatsch trägt die gesamte Erinnerung an Südtiroler Lebensart in sich. Leichte Note nach Kirschen, unkomplizierte Art mit fein-bitteren Stoffen. Mild, charaktervoll, leicht sonnig – eben wie das junge Südtirol.