GENUSS & REISE

Zukunftsinstitut FoodTrends

Das Zukunftsinstitut gibt den „Food Report“ heraus. Inzwischen erscheint die Analyse zum Essen und seiner künftigen Entwicklung zum zehnten Mal. Ein Jubiläum also. Erstellt wird er von Hanni Rützler. Für „Only the Best“ hat sie die wichtigsten Punkte zusammengefasst.
Autor: 
Sonja Still
, Fotograf: 
Advertorial
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Zukunftsinstitut FoodTrends

Die Zukunftsaussichten sind nach der Gesundheitskrise und auch durch den Krieg in der Ukraine alles andere als rosig. Umso mehr braucht es Future Resilience, als eine Kraft, sich nach Stress-Situationen wieder positiv auszurichten. Entwicklungen, die durch die Corona-Pandemie angestoßen wurden, werden sich weiter verfestigen. Schon im letzten Food Report sprachen wir davon, dass Unternehmen Robustheit, Widerstandsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit benötigen, da wir es mit multiplen Krisen zu tun haben. Hierbei rückt vor allem die Klimakrise in den Mittelpunkt, die zwar immer wieder von neuen Krisen überschattet wird, aber wirklich nicht mehr ignoriert werden kann. Und wir werden sehen, es gibt nur wenige Orte, an denen der ökologische Fußabdruck eines Verbrauchers und einer Verbraucherin deutlicher wird als im Lebensmittelgeschäft. 

Die Zukunft gehört der Nachhaltigkeit – das spiegelt sich auch in den Food-Trends wider. Denn: Die Schlacht zur Rettung des Planeten wird auf den Tellern gewonnen. Drei der Trends wollen wir hier vorstellen. 

Der Trend New Glocal ist ein Beispiel, Überregionales wird sich mit Lokalem verschränken. Das bedeutet: Der Lebensmittelhandel braucht eine Neuordnung. Multiple Krisen und ihre Auswirkungen rufen nach einer Re-Regionalisierung. Regionale Agrarstrukturen, kürzere und transparente Lieferketten sowie ein neuer Fokus auf Binnenmärkte sind wichtige Schritte hin zu mehr Resilienz und Nach-haltigkeit in der Lebensmittelversorgung weltweit. Die Trendbewegung in Richtung Glokalisierung wird von starken Dynamiken vorangetrieben: Die ökologischen Folgen einer rücksichtslos globalisierten Nahrungsmittelindustrie geraten zunehmend ins öffentliche Bewusstsein – gerade in Krisenzeiten. New Glocal ist ein Vorbote der nächsten Evolutionsstufe in der globalen Lebensmittelproduktion, die sich durch einen neuen Fokus auf Regionalität und nachhaltiges Wirtschaften mit resilienten Verschränkungen zu überregionalen und globalen Strukturen auszeichnen wird. Schritt für Schritt wird dies zu einer Neuausrichtung des Sortiments in Supermärkten, aber auch zur Ausweitung des internationalen Direktvertriebs führen. 

Wir müssen für die komplexen Herausforderungen mit Lösungen planen und sie nicht als unlösbar abtun. Denn „Zukunft kommt – allen unplanbaren Zufällen zum Trotz – nicht einfach auf uns zu. Sie entsteht in unserem Denken und Handeln, das wiederum auf unseren Werten und Taten beruht.“ Der Food-Trend Re-generative Food setzt auf nachhaltige Lebensmittel auch jenseits von Bio und stellt die Regeneration des Bodens und die Biodiversität in den Mittelpunkt. Es ist der nächste Schritt der Agrarwirtschaft, um den Planeten wieder gesünder zu gestalten. Durch Verfahren wie Rotationsweiden können in der Agrarwirtschaft Erosion und Verdichtung verringert und Wasser besser gespeichert werden. Auch andere Arten des Gemüseanbaus dürfen gedacht werden. Das Wiener Start-up „Soilful” bietet Unternehmen an, auf den Dächern von Büro- und Fabrikgebäuden Gemüse nach regenerativen Methoden anzubauen. Mitarbeiter können die unternehmenseigene Gärtnerei als Erholungsmöglichkeit nutzen, sich an der Ernte aktiv beteiligen und damit auch ihren persönlichen Bedarf an frischem Gemüse decken. Auf lange Sicht unterstützt die regenerative Landwirtschaft somit den Kampf gegen den Klimawandel und hilft uns, unsere Ernährung weiter zu diversifizieren. Spitzengastronomen schätzen diese Art der Lebensmittelproduktion, aber auch große Lebensmittelunternehmen haben die Bewegung bereits im Blick. Man muss nicht vegan leben, um gerne mehrmals pro Woche rein pflanzlich, aber selbstverständlich auch richtig gut essen zu wollen. Auch der Food-Trend Veganizing Recipes sorgt für eine vielfältigere Ernährungsweise, indem traditionelle Gerichte vermehrt vegan interpretiert werden – und sich immer öfter als gleichwertige Alternativen durchsetzen. Vegane Alternativen bestimmter Traditionsspeisen werden zum Standard unserer kulinarischen Repertoires werden. Damit werden die Anliegen der Konsumenten, nämlich Gesundheit, Tierwohl und Nachhaltigkeit, befriedigt. Der Wettbewerb um das Geschmackserlebnis, das dem Original am ähnlichsten ist – oder es sogar übertrifft –, ist bereits in vollem Gange und wird uns in den kommenden Jahren mit weiteren Ersatzprodukten, Kochbüchern, Hilfsmitteln und kreativen Rezeptideen bereichern. Denn der Peak der Veganisierung ist noch längst nicht erreicht.

Fleisch verliert seine Rolle als Leitprodukt unserer Esskultur. Es werden künftig Fleischalternativen entwickelt. Neben „Fleisch“ aus Pflanzen, Pilzen, Insekten, Algen und mikrobieller Fermentation ist auch kultiviertes, aus tierischen Zellen gewonnenes Fleisch auf dem Vormarsch. In Zukunft geht es also nicht mehr darum, ob wir Fleisch essen, sondern welches. Eine Technologie, die zu einer Umwälzung des gesamten landwirtschaftlich-industriellen Lebensmittelsystems führen könnte. 

Neben dem wachsenden tierethischen Bewusstsein wird vor allem die Klimakrise die Karten neu mischen. Insbesondere die junge Generation stellt einen gesellschaftlichen Konsens infrage: dass es in Ordnung ist, Tiere zu töten, um sie zu essen. Wie rasch alternative Fleischprodukte zum Mainstream werden, hängt allerdings stark vom Stellenwert der traditionellen Esskultur in den einzelnen Ländern ab. Denn erlernter Geschmack und eine lebenslange Gewöhnung an bestimmte Speisen sind große Hürden für eine Ernährungsumstellung. 

Die Esskultur wird sich weiter globalisieren. Während auf Ebene der Produkte der Regionalisierungstrend weiter anhält, spielt auf Ebene der Speisen die ursprüngliche Herkunft kaum noch eine Rolle: Welche Küche wo am häufigsten konsumiert wird, hängt nur noch lose mit Nationalität und geografischem Ort zusammen. Einst den traditionellen Hochküchen und Spitzenköchen vorbehalten, wird das Fusionieren von Zutaten und Zubereitungsarten heute auch bei Hobbyköchen und in der Alltagskultur immer populärer. Der Einfluss von Social Media, insbesondere TikTok, auf das Koch-, Ess- und Einkaufsverhalten der Menschen wächst. Noch sind es meist junge Menschen, die ihre kulinarischen Kompetenzen vor allem auf digitalen Kanälen erwerben. Ihr Einfluss wird die Esskultur der Zukunft entscheidend prägen. Das unkomplizierte Vermischen von Zutaten und Zubereitungsarten hat bereits zu neuen Rezepten und Trendgerichten geführt, an denen sich künftig nicht nur gastronomische Betriebe, sondern auch Lebensmittelproduzenten und -händler orientieren werden. Fusion is the New Normal!

Obwohl vor allem der Boom von E-Food die Sichtbarkeit und Akzeptanz von alternativen Einkaufsmöglichkeiten zum Supermarkt erhöht hat, ist der Gang zum stationären Lebensmittelgeschäft noch immer die Regel: Handelsunternehmen und Hersteller, die die Wünsche ihrer Kunden ernst nehmen, wagen die Transformation zu mehr Nachhaltigkeit, Saisonalität, Tierwohl und Fairness in kleinen, umsetzbaren Schritten. Wichtige Hebel sind hier nicht nur die Anpassung des Sortiments, sondern auch das Neudenken im Category Management: Vom Aufbau, von der Wegführung und Regalordnung bis zur Produktplatzierung können sich Märkte hier als Unterstützer für bewussten Konsum präsentieren, statt nachhaltigen Konsum zu erschweren. 

Nachhaltigkeit gewinnt insbesondere in der jungen Generation weiter an Bedeutung. Die Diskrepanz zwischen dem realen und eigentlich gewünschten Konsumverhalten ist jedoch sehr groß. Der eigene Anspruch, nachhaltig einzukaufen, wird durch fehlende oder halbherzige Angebote bei den wichtigsten Handelsunternehmen noch deutlich erschwert. Vorerst. Künftig muss das Sortiment auf Wünsche und Werte einer wachsenden Anzahl von Menschen, die nachhaltiger und fairer einkaufen wollen, entschiedener Bezug nehmen.