Welche Werte prägen Sie als Mensch und leiten Sie durch Ihr Leben?
Meine persönlichen Werte, die mich durchs Leben begleiten, leiten und an denen ich mein Handeln ausrichte, sind Verlässlichkeit, Integrität, Verantwortung, Neugier bzw. (Selbst-)Reflexionsfähigkeit und Menschlichkeit. Daraus leitet sich alles ab: Verlässlichkeit und Integrität bedeuten für mich, verbindlich zu sein und mich korrekt zu verhalten. Denn nur durch Beständigkeit kann Vertrauen entstehen. Ich bin überzeugt davon, dass wir Vertrauen wie die Luft zum Atmen für ein gelungenes Zusammenwirken benötigen – ob in der Wirtschaft, Familie, Politik oder Gesellschaft. Verantwortung übernehme ich, weil ich gestalten möchte und mir andererseits bewusst bin, dass mein Handeln Auswirkungen hat. Ich trage die Konsequenzen meines Handelns und versuche, meiner Verantwortung in allen Lebensbereichen gerecht zu werden.
Neugier bzw. die Fähigkeit zur kritischen (Selbst-)Reflexion ist für mich essenziell, um mich immer wieder weiterzu-entwickeln: Offen für Veränderungen zu sein, ist die Grundlage für Innovation und damit Dynamik im Leben. In der Industrie ist diese zugleich analytische wie auch spielerische Neugier besonders entscheidend: Wir ringen jeden Tag um noch bessere Lösungen, um nachhaltig und gleichzeitig wirtschaftlich profitabel zu sein.
Menschlichkeit ist eigentlich selbst-verständlich. Gerade angesichts so vieler globaler Kriege und Krisen, in denen sich Menschen Fürchterliches antun und auch angesichts von Populisten und Autokraten, die versuchen, Menschen zu manipulieren, ist gelebte Menschlichkeit im Sinne eines „Humanitas“-Ideals meines Erachtens eine selbstverständliche Ver-pflichtung für jeden von uns.
Wie haben Ihre persönlichen Werte Ihre Entscheidungen und Ihren Führungsstil im Berufsleben beeinflusst?
Grundsätzlich gilt: Die Werte, die einen prägen, müssen durchgängig gelebt und umgesetzt werden – wer Werte abstrakt schätzt, aber nicht konkret lebt, der untergräbt seine Werte und schadet sich damit selbst.
Wer etwa nur im Privatleben zuverlässig und integer ist, aber nicht im beruflichen Kontext, der oder die ist schlicht nicht zuverlässig und nicht integer. Denn Werte kann man nicht ablegen oder einfach mal wechseln, wie die Farbe einer Wand. Werte sind Teil unseres Charakters und unserer Persönlichkeit.
Als Führungskraft sollte man immer versuchen, Vorbild zu sein – und nie vergessen, dass man nicht nur für Geschäftsergebnisse und Performance verantwortlich ist, sondern auch und insbesondere für die Menschen, die dies ermöglichen. Oder anders ausgedrückt: Eine Portion Demut schadet nicht, hilft aber und justiert den eigenen Blick.
Als Führungskraft mussten und müssen Sie unangenehme und unpopuläre Entscheidungen treffen. Wie vereinbaren Sie das mit Ihren Werten?
Was ich nicht mit meinen Werten vereinbaren kann, tue ich nicht. Ich will zuverlässig, verantwortungsvoll, klar und konsistent handeln. Und zwar durchgängig. Als Führungskraft musste ich teilweise sehr schwierige Entscheidungen treffen, die ich lieber nicht hätte treffen müssen, die aber nötig waren für den Fortbestand des Unternehmens – etwa wenn es um Restrukturierung geht und Menschen ihren Arbeitsplatz verlieren. Gerade in solchen Situationen ist es aber aus meiner Sicht entscheidend, sich nicht „aus der Verantwortung“ zu stehlen, sondern auf Augenhöhe direkt mit den Betroffenen zu kommunizieren und die Gründe zu erläutern, weshalb diese Entscheidung getroffen wird. Und dann muss man dazu stehen.
Gleichzeitig gilt aber auch: Der Mensch ist nicht unfehlbar. Jeder macht Fehler – auch eine Führungskraft. Das muss man sich eingestehen und dazu auch im Dialog „mit offenem Visier“ stehen. Ich bin überzeugt davon, dass eine konstruktive Fehlerkultur Teil des Erfolgs von Unternehmen und eine Art „Reifetest“ für ein Unternehmen ist. Bei Koehler Paper eint uns, dass wir respektvoll und fair miteinander umgehen und niemandem „den Kopf waschen“, der zu einem Fehler steht. Denn aus Fehlern entsteht Neues. Wo Angst ist, da kann Erfolg nicht nachhaltig entstehen. Und Vertrauen erst recht nicht. Deshalb brauchen wir als Führungskräfte auch keine „Bosse“ oder narzisstische „Ego-Shooter“, sondern werteorientierte, hochqualifizierte durchsetzungsstarke und (!) berührbare Sparring-Partner, Befähi-ger, Coaches und Vorbilder.
Inwiefern spielen Werte eine Rolle bei der strategischen Ausrichtung Ihres Unternehmens?
Werte sind das Herzstück der Koehler-Gruppe – und zwar die gelebten Werte! Man kann Werte nicht verordnen per Rezept, man muss sie leben und das bedeutet: Man muss sie als Gesellschafter und Führungscrew auch vorleben. Koehler Paper lebt seit mehr als 200 Jahren Innovation und Tradition: Neben unserem Exzellenzanspruch steht dabei die Nachhaltigkeit seit jeher bei uns im Mittelpunkt unseres Selbstverständnisses: Wir sind der Region, unserer Umwelt und den Menschen vor Ort verpflichtet und nehmen Nach-haltigkeit - sowohl ökologisch, wirtschaft-lich als auch sozial - sehr ernst: Bereits 2012 haben wir uns das Koehler-Versprechen gegeben, bis 2030 mehr erneuerbare Energie zu generieren, als wir für unsere Papierproduktion benötigen.
Wirtschaftlich betrachtet sind wir als Papierhersteller Vorreiter im Bereich nachhaltiger Verpackungslösungen und haben schon im Jahr 2019 rund 300 Millionen Euro in eine hochmoderne, innovative Produktionsanlage investiert, mit der wir umweltfreundliche Ver-packungen herstellen können, um umweltschädliche Plastikverpackungen etwa im Supermarkt Stück für Stück ablösen zu können. Darüber hinaus investieren wir in erneuerbare Energien und tragen so zur Energiewende und einer gesünderen Umwelt bei.
Die dritte Säule der Nachhaltigkeit der Koehler-Gruppe ist die soziale Ebene: Wir haben nicht nur den Anspruch, ein guter, verlässlicher Arbeitgeber zu sein, sondern wollen auch etwas an die Gesellschaft zurückgeben – etwa mit unserer August-Koehler-Stiftung, mit der wir Jugend- und Bildungsprojekte fördern.
Sie haben Papieringenieurwesen stu-diert und arbeiten seit Jahrzehnten in der Papierbranche – was fasziniert Sie ausgerechnet an Papier und wozu brauchen wir Papier im Computerzeitalter eigentlich noch?
Wir brauchen Papier – gerade im digitalen Zeitalter - mehr denn je als Verpackungsmaterial; denn hier haben Industrie und Gesellschaft viel zu lange auf Kunststoff gesetzt, der die Ozeane vermüllt und sehr schlecht wiederverwertbar ist. Wir bei Koehler entwickeln und produzieren umweltfreundliche Papierverpackungen – diese sind wiederverwertbar und deutlich besser recycelbar als Kunststoff. So tragen wir dazu bei, dass unsere Umwelt sich ein Stück weit vom Plastikmüll „erholen“ kann. Abgesehen von diesem Zukunftsaspekt fasziniert mich seit jeher die Vielseitigkeit von
Papier: Papier ist nicht nur Kulturträger, Papier ist auch nachhaltig und sinnlich. Wer möchte schon einen Liebes-brief oder eine Ernen-nungsurkunde per E-Mail bekommen?
Sie arbeiten als Vorstand in einem Familienunternehmen. Was macht für Sie den besonderen Reiz im Familienunternehmen aus?
Der Reiz ist die Nachhaltigkeit: Familienunternehmen denken nicht in Quartalszahlen, sondern generationen-übergreifend, also langfristig und damit nachhaltig. Koehler Paper gibt es seit mehr als 200 Jahren. Um das zu schaffen, braucht es strategische Weitsicht und Ausdauer: Man darf sich nicht von kurzfristigen unternehmerischen „Trends“ ablenken lassen, sondern muss den Erfolg „in the long run“ sichern – dies entspricht mir sehr.
Wie schaffen Sie es, bei einem dichten Vorstandsalltag, selbst „in the long run“ fit zu bleiben?
Auch hier hilft mir mein Wertegerüst: Verantwortung zu leben heißt nicht nur, Verantwortung für andere zu übernehmen, sondern auch für sich selbst: Ich komme aus dem Leistungssport und kann gut durchhalten, auch wenn ich an Leistungsgrenzen komme – das hilft nicht nur beim Marathon, sondern auch in Job, wenn eine zähe Wegstrecke vor mir liegt. Gleichzeitig gibt mir der Sport die Freiheit, den Kopf freizuräumen und Kraft zu schöpfen – wenn ich in den Bergen unterwegs bin oder einen See durchschwimme. Da bin ich ganz bei mir selbst. Das erdet sehr – genau wie meine wunderbare Familie, die an meiner Seite ist, mir emotionalen Halt gibt und zugegebenermaßen auch mal den „Kopf geraderückt“.
Welchen Ratschlag würden Sie anderen Führungskräften geben, die daran interessiert sind, eine werteorientierte Kultur in ihren Organisationen aufzubauen?
„Vertrauen first“: Ich glaube daran, in die Fähigkeiten von Mitarbeitenden zu vertrauen. Unsere Aufgabe als Führungskräfte ist, fachlich zu erkennen und menschlich zu erspüren, wie die Zusammenarbeit im Team am besten gelingen kann. Das geht nicht vom „Elfenbeinturm“ des Managements aus. Man sollte immer am Ohr der Belegschaft sein und zuhören – ob im Maschinenraum oder in der Kantine. Oder anders ausgedrückt: Sei klar, sei verbindlich, sei mutig, sei menschlich und vor allem: Nimm Dich nicht zu ernst.