Nach nur knapp zwei Flugstunden und vier kräftigen Atemzügen am Aeropuerto de Son Sant Joan – dem Tor zu Mallorcas facettenreicher Landschaft fühlt es sich immer ein bisschen wie nach Hause kommen an. Als ich vor über 15 Jahren das erste Mal durch die gläsernen Schiebetüren an Palmas Flughafen schreite, ist es sofort um mich geschehen. Warme Luft breitet sich über die von Klimaanlagen gekühlte Haut. Palmen wanken sanft im Wind und es duftet immer ein bisschen nach Meer.
Ich ziehe meine Sonnenbrille auf und steige leichtfüßig in den Wagen, der mich ins Casco Antiguo – das Herzen Palmas Altstadt – bringen wird. Die Küste zieht rechts an mir vorbei, Farben und Formen verschwimmen. In nur 10 Minuten vom Flughafen in die historische Altstadt – davon kann ein ehemaliger bayerischer Ministerpräsident nur träumen. Abseits aller Klischees, die an der Playa de Palma vermutlich zumindest teilweise einen wahren Kern haben, ist in Palma alles anders. Spätestens wenn das Taxi an der Plaza de Cort zum Stehen kommt, wird es jedem Mallorca-Skeptiker warm ums Herz. In 48 Stunden all die schönen Dinge zu erkunden, die diese pulsierende Stadt zwischen versteckten Patios und dem omnipräsenten kulturellen Erbe zu bieten hat, ist nahezu unmöglich.
Freitag 14 Uhr
Aber erstmal einen Cappuccino. Der nirgendwo so gut schmeckt wie im Grand Café im Hotel Cappuccino – der Name ist hier tatsächlich Programm. Während ich genüsslich an meiner Tasse nippe und das Treiben auf der Plaza de Cort beobachte, staune ich immer wieder, wie pittoresk Vergangenheit und Gegenwart hier am Kilometer 0 der Inselhauptstadt aufeinandertreffen. Direkt gegenüber das historische Gebäude der Stadtverwaltung und gleich rechts daneben der wohl am meisten fotografierte Baum Mallorcas. S‘Olivera ist 600 Jahre alt und sieht einfach blendend aus. Dabei wuchs der Olivenbaum ursprünglich in Pollença auf und ist eine Spende eines mallorquinischen Hoteliers. Der sogenannte „Olivera de Cort“ gilt als Symbol des Friedens.
Mindestens genauso friedlich schlendere ich auf den Spuren von Christoph Kolumbus die Carrer de Colom entlang – die ihren Namen aber ursprünglich dem mallorquinischen Anführer des Germanías-Aufstands, Joanot Colom, verdankt. Kleine Geschäfte, Galerien und die unzähligen Jugendstil-Gebäude erzählen Palmas historisches Erbe auf eine dekorative Weise. Can Forteza ist ein Muss für Kunstliebhaber. Vor dem fünfstöckigen Gebäude aus dem 20. Jahrhundert bleibe ich immer wieder stehen und denke: „Ganz schön schön.“
Was zum ultimativen Glück noch fehlt, ist eine ofenwarme Zimtschnecke. Die „Bollo de Canela“ sind zwar eigentlich ein schwedisches Gebäck, aber Fika Farina ist eine Institution in Palma.
Satt und glücklich laufe ich über die grüne Plaça de Eulália in die Carrer de Sant Francesc. Vor lauter Staunen könnte man glatt den Eingang zum Hotel verpassen. Ein unscheinbares Haus. Ein großes Tor. Dahinter verbirgt sich ein wahres Potpourri aus Kunst, Geschichte und Design. Das Can Cera ist mein absolutes Lieblingshotel und am liebsten würde ich niemandem davon erzählen, damit es für immer ein Geheimtipp bleibt.
Ein ehemaliges Aristokratenhaus, aus dem Miguel Conde und seine Frau Cristina Martí ein Boutique-Hotel mit gerade einmal 14 Zimmern gemacht haben. Ich drücke die Klingel. Das schwere Holztor öffnet sich fast lautlos. Die imposante Eingangshalle konkurriert mit dem grünen Patio. Die Augen wandern von prunkvoll verzierten Marmortreppen über alte Steinbögen zu pittoresken Gemäuern und bleiben bei einer beeindruckenden Keramikinstallation von Jaume Roig hängen.
Jedes der Zimmer besticht durch seinen ganz eigenen Stil. Einheimische Künstler finden ebenso ihren Platz wie stilvoll ausgewählte Designobjekte. Die mallorquinische Sonne kreiert magische Lichtspiele zwischen bodentiefen Fenstern und ägyptischer Baumwolle in der Gallery Suite (meine Lieblingssuite). Den Trubel der Stadt lasse ich hinter mir. Hier ist es leise, um den eigenen Gedanken Raum zu lassen, anzukommen und sich ganz auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. Genau das mache ich und trinke noch einen Cava auf der urbanen Dachterrasse, bevor ich mich auf zum Dinner mache.
20 Uhr
Nur ein paar Gehminuten durch die kleinen Gassen, vorbei an den Banys Arabs – den arabischen Bädern, die das maurische Erbe der Insel widerspiegeln – hinunter Richtung Meer. Am Parc de Mar, im stylischen Boutique-Hotel El Llorenç, betreibt der wohl sympathischste Sternekoch sein mit einem Michelin-Stern prämiertes Restaurant DINS. Santi Taura ist gebürtiger Mallorquiner und kreiert eine Genussreise aus vielleicht längst vergessenen, aber typischen Gerichten der Balearen, denen er allen (s)eine ganz eigene Handschrift verleiht. Modern. Unprätentiös. Und unfassbar köstlich.
Samstag 10 Uhr
Die Abende in Palma sind lang, der Morgen beginnt entspannt. Ein kleines Frühstück im Ombo am Paseo del Borne stärkt mich für meine City-Tour. Heute nur ein schneller Kaffee und ein Cruasán für mich (ich habe noch viel vor) – das Sauerteigbrot mit Ei und Mahón (ein traditioneller Käse aus Menorca).
Bei strahlendem Sonnenschein mache ich einen Mini-Abstecher zum Port de Palma und schnuppere ein bisschen Meer, bevor ich die Stufen hinauf zur La Seu nehme. Die sandfarbene Kathedrale ist das Wahrzeichen Palmas und definitiv ein Must-See. Der Steinpalast direkt nebenan ist weniger bekannt, aber mindestens genauso schön. La Almudaina ist der ehemalige Königspalast und wurde als Alcázar im 14. Jahrhundert errichtet. Das Wort Almudaina stammt vom Arabischen „almudena“, was so viel wie „Festung“ bedeutet – und diente als Schutz vor Piraten, bevor König Jaume II. ihn als Palast umgestaltete. Was viele nicht wissen: Heute ist der Almudaina-Palast eine der offiziellen Sommerresidenzen der spanischen Königsfamilie.
Etwas weniger touristisch und nur eine kleine Gasse um die Ecke eröffnet sich ein olfaktorisches Paradies. Liebe geht durch den Magen, sagt man ja häufig. Ich würde behaupten: Ein Duft berührt die Seele. Purpurfarbene Lavendelfelder, die am offenen Autofenster vorbeiziehen. Reife Zitronen, die in der Sonne glitzern, und der Duft der Haut nach einem Tag am Meer – oft wünscht man sich, diese Erinnerungen zu konservieren, um immer wieder daran schnuppern zu können. Im Viti Vinci Atelier in Palma kreiert die Pariser Parfümeurin Caroline Leclerc Signature-Düfte für renommierte Boutique-Hotels. Gründer Víctor Alarcón hat einen biochemischen Background und nutzt die Aromachologie, also die Wissenschaft des Einflusses von Gerüchen auf Emotionen und Wohlbefinden, für seine Kreationen. Nach einem Besuch in dieser Duftoase fühle ich mich jedes Mal ganz beseelt.
15 Uhr
Über die Treppen schreite ich, umhüllt von Glück, die Costa de la Seu hinunter zum El Borne, der wohl bekanntesten Flaniermeile Palmas. Die Allee mit altem Baumbestand war ursprünglich auf einem alten Flussbett des Torrent de la Riera angelegt.
Ich entziehe mich dem wuseligen Treiben und biege in die Carrer de Sant Feliu ab. Hinter dem imposanten Torbogen der Hausnummer 3 befindet sich eine kleine Oase inmitten des Altstadttrubels. Im Rialto Living gibt es all die Dinge, die man nie gesucht hat und mit denen man trotzdem unfassbar glücklich ist, sie gefunden zu haben. Im hinteren Teil des Concept-Stores gibt es ein kleines Café. Der hausgemachte Kuchen dort ist ein Gedicht.
Weil auch der Geist genährt werden möchte, mache ich einen Abstecher in die Gerhardt Braun Gallery – nur ein paar Meter weiter. Der Kunstsammler hat hier in einem Palast aus dem 17. Jahrhundert einen Ort für Kunst geschaffen, der an sich schon Kunst ist. „El Palacio del Arte“ zeigt auf vier Ebenen und mit beeindruckendem Innenhof Kunstwerke internationaler zeitgenössischer Künstler.
18 Uhr
Um all die Eindrücke zu verarbeiten, gönne ich mir einen Drink auf der verwunschenen Terrasse eines ehemaligen Stadtpalastes – erhaben im zweiten Stock des Boutique-Hotels Can Alomar mit Blick auf den Paseo del Borne, eingebettet zwischen altem Baumbestand und eklektischem Interieur.
Das alles kann nur noch mit einem Ceviche mit Tamarillo-Espuma und dem besten Thunfisch-Tatar, das ich jemals gegessen habe, getoppt werden. Man munkelt, ich hätte noch Tacos de Cerdo Ibérico bestellt und eine der cremigsten und zitronigsten Zitronentartes. Kreative Fusion-Küche mit japanisch-peruanischen Einflüssen nennt sich das. Unter dem Namen „De Tokio a Lima“ gibt es alles, was der Name vermuten lässt. Und das ist alles einfach unfassbar köstlich. Meine Empfehlung: einmal alles bestellen und teilen. Vielleicht.
Sonntag 10 Uhr
Der Tag startet gemütlich mit einem Café in der Vermutería im Can Cera mit dem besten Sauerteigbrot der Insel. Danach führt mich ein 20-minütiger Fußweg vorbei an der Llotja de Palma zum Museum Es Baluard. Das ist nicht nur von außen eine Wucht, sondern beeindruckt auch mit Werken von Gauguin, Picasso und Miró, aber auch mit Künstlern, die eng mit der Insel verbunden sind, wie Hermenegildo Anglada Camarasa und Antoni Gelabert i Massot.
Auf dem Rückweg gönne ich mir noch einen schnellen Café Cortado an der Bar im Café Mocaro – und bin danach hellwach für mallorquinische Kunst und Kultur. Im Museu de Mallorca bestaune ich ein ethnografisches Konglomerat aus Vergangenheit und Gegenwart.
Man kann die Insel nicht verlassen, ohne eine Ensaimada von Horno Santo Cristo gegessen zu haben – ein typisches mallorquinisches Gebäck aus Mehl, Sauerteig, Eiern, Zucker, Schmalz, Hefe und verschiedenen Füllungen. Auch wenn der Duft verführerisch aus der Tüte strömt – unbedingt ein paar Schritte weitergehen, über den Plaça de Sant Francesc und in absoluter Ruhe auf dem Plaça Quadrato den ersten Biss genießen. Und über vorbeifahrende Pferdekutschen staunen.
17 Uhr
Noch einmal Me(e)hr auftanken. Zum Aperó geht es ins Stadtviertel Calatrava – und dem gleichnamigen Luxushotel. Genauer gesagt in die Sea Bar auf der Dachterrasse mit Blick auf in der Sonne glitzerndes Meer.
19.30 Uhr
Für einen fulminanten Abschluss geht es zum Dinner ins Fera. In einer versteckten Seitengasse in einem historischen Stadtpalais kocht der gebürtige Österreicher, der Mallorca seit zehn Jahren sein Zuhause nennt, eine „Borderless Cuisine“. Fine Dining der Extraklasse mit Einflüssen aus der Molekularküche und der japanisch-mediterranen Küche. Internationales Flair und Weltoffenheit treffen auf die überschaubare Größe einer Stadt, in der praktisch alles zu Fuß zu erreichen ist. Ein kulturelles Erbe, das auf modernes Design trifft, und dieses unbeschreibliche mediterrane Lebensgefühl der Mallorquiner, das einfach unweigerlich glücklich macht.