Aufgrund seiner besonderen physikalischen Eigenschaften ist Wasserstoff ein nahezu „permanentes Gas“. Wasserstoffgas kann nur bei sehr niedrigen Temperaturen unter -252 °C verflüssigt werden. Aufgrund seiner geringen Dichte wird H2 üblicherweise als komprimiertes Gas gespeichert. Die charakteristischste Eigenschaft von Wasserstoff ist seine Brennbarkeit. Er ist ungiftig und kann mit Hilfe erneuerbarer Energieträger nahezu emissionsfrei produziert werden. Wasserstoff ist transportierbar und auch gut zu speichern. Wasserstoff könnte also die Energieprobleme der Zukunft lösen.
Wasserstoff, der CO2-frei produziert wird, ebenso wie alle damit verbundenen Technologien, wird von der öffentlichen Hand als strategisches Mittel zum Ersatz von Kohle und zur Erreichung der Klimaziele angesehen und gefördert. Schwerpunkt ist hier die Umstellung der Stromproduktion auf erneuerbare Energien. Das heißt, statt Strom aus herkömmlicher Energieerzeugung für die Wasserstoff-Produktion zu nutzen, sollte alternative Energie genommen werden: aus Windkraft, aus Sonne oder Wasserkraft. Grüner Vorreiter ist Norwegen, das über viel Wasserkraft verfügt. Kanada produziert seinen Wasserstoff mit Hilfe von Erdgas. Marokko und Gebiete der Sahara arbeiten mit Windkraft.
Um eine globale Wasserstoffwirtschaft zügig voranzubringen, müssen Synergien geschaffen werden – durch Kooperationen zwischen Entwicklern, Investoren, Produzenten, Städten, Regionen und Staaten sowie mit relevanten Wirtschaftsakteuren. Wichtig ist auch, die Sektoren Produktion und Konsum zu verknüpfen, aber auch Technologieanbieter und Investoren zu koordinieren. In den 1960/70er Jahren befeuerten Raumfahrt und knapper werdende Ressourcen die Wasserstoff-Fantasien. Seit den 1990er Jahren wurde Wasserstoff durch die dringende Nachfrage nach nachhaltiger Energie angekurbelt. In der jüngeren Vergangenheit lag das Hauptaugenmerk auf der Rolle von Wasserstoff in einer zunehmend strombasierten Energiewirtschaft.
In den letzten zwei Jahren haben sich viele Unternehmen auf die Entwicklung von modifizierten Systemen konzentriert, die nachweislich in Verbindung mit erneuerbarer Energie eine günstige Produktion von Wasserstoff und damit einen günstigen Herstellungspreis ermöglichen. Im Moment liegen die Produktionskosten in Europa bei 7,50 Euro pro Kilogramm Wasserstoff. Für die Herstellung von einem Kilo Wasserstoff sind noch 55 kW/h Strom nötig. Das wird in den Preis miteinkalkuliert. Mittelständische Firmen halten bereits heute eine Produktion von
1 kg Wasserstoff für nur 2 Euro für möglich. Doch es fehlt an Geld und Kapazität, diese Entwicklung groß aufzustellen.
Der Grund: Die Marktführer, wie Siemens oder Linde, greifen auf ihre konventionellen Systeme zurück. Die Firmen forschen zwar für die Zukunft, werden aber verwaltet und geführt wie ein Industrie-tanker aus ehemaliger Zeit und verwenden Materialien, die sie einst herstellten und verwenden sie weiterhin, auch wenn diese inzwischen von anderen Produkten auf dem Markt abgelöst worden sind. Doch diese „alten Entwicklungs-Tanker“ bekommen reiche Subvention aus öffentlicher Hand. Arbeitsplätze und Marktvorherrschaft gehen bei der Argumentation mit einher. Der Mittelstand erbringt viel Forschungsarbeit, ist aber nicht so organisiert, dass die vielzähligen kleinen Firmen an größere Subventionen für eine Produktionsaufnahme kommen.
Dabei wäre es möglich, Wasserstoff weniger teuer zu produzieren. Das Start-up Qatar Hydrogen Energy mit Sitz in München rechnet mit Produktionskosten von 2,00 Euro pro Kilogramm hochreinem Wasserstoff. Doch die öffentliche Diskussion verkürzt auf die Aussage auf „Wasserstoff ist noch zu teuer“.
Wolfgang Schwellenbach von Qatar Hydrogen Energy gibt ein Beispiel: Ein Kleinwagen verbraucht für 100 Kilometer Strecke etwa 5 Liter Benzin. Das entspricht dem Wirkungsgrad von einem Kilogramm Wasserstoff. Man könnte also für zwei Euro den Weg zurücklegen. 5 Liter Benzin kosten seit Beginn der Energiekrise 10,50 Euro (Stand 31.10.2022). Mit der Ankündigung der OPEC-Länder, die Öl-Fördermenge zu reduzieren, ist zu erwarten, dass die Preise weiterhin steigen.
Noch fehlt es auch an Strukturen, den Wasserstoff dorthin zu bringen, wo die Menschen ihn brauchen. Argumentiert wird, dass dies noch zu aufwändig wäre. Aber auch da gibt es Lösungen. Ein britisches Start-up stellt z. B. Container her, in denen mit Solarzellen am Dach aus Wasserstoff Energie gemacht wird, die Akkus für E-Autos auflädt. Die Umstellung auf E-Mobility wäre damit leichter zu gestalten.
Freilich sind solche Einzelbeispiele unzureichende Argumente in der großen Debatte. Klar aber ist: In der künftigen Energieversorgung wird Wasserstoff einen eklatanten Anteil einnehmen. Man weiß heute, dass Europa bis 2030 mindestens 70 Prozent seines Wasserstoffs importieren muss.
Man wird Wasserstoff benötigen, ob man das nun begreift oder nicht. Ein Grund dafür ist, dass Wasserstoff der beste Weg ist, Schlüsselsektoren zu dekarbonisieren: Das Erdgasnetz, das derzeit die Grundlage für die Wärmeversorgung von 40 Prozent der EU-Haushalte und 15 Prozent der Stromversorgung der EU bildet, kann schrittweise auf Wasserstoff umgestellt werden. Biogas wird als regenerative Alternative zu Erdgas nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen. Prinzipiell könnten auch Wärmepumpen zur Wärmeversorgung eingesetzt werden. In Altbauten, die für einen großen Teil der gebäudebedingten Emissionen verantwortlich sind, können diese jedoch nur mit umfangreichen Sanierungsmaßnahmen am Gebäude sinnvoll genutzt werden, deren Wirtschaftlichkeit oft hinter der Umstellung auf eine erneuerbare Energieversorgung zurückbleibt. Eine alternativ auch theoretisch denkbare vollständige Elektrifizierung heutiger Erdgasanwendungen würde angesichts der schwankenden Produktion in einer Erneuerbare-Energien-Branche zu massiven Netzproblemen führen.
Kurzum: Wasserstoff wird in der zukünftigen Energiewirtschaft eine wichtige Rolle spielen, da er für viele Sektoren die notwendige Flexibilität schafft. Wasserstoff ermöglicht es, Energie zu speichern und bedarfsgerecht für verschiedene Sektoren bereitzustellen. Mehr dazu im nächsten „Only the Best“.