KUNST & DESIGN

The Business of Art

Katrin Stoll lehrt an der Munich Business School „The Business of Art”. Nicht nur dort, auch an Ludwig-Maximilian-Universität und auch an anderen, internationalen Institutionen und Kommissionen hat sie einen Ruf. Sie unterrichtet angehende Kunstmanager über den rechten Invest. Im „Normalberuf“ ist Katrin Stoll die Chefin des renommierten Münchner Auktionshauses Neumeister. Sie lehrt also nicht nur die Theorie, sie kennt die Praxis. Ein Gespräch.
Autor: 
Sonja Still
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The Business of Art

Wer in diesen belasteten Zeiten zwischen Pandemie und Krieg Geld übrighat, legt in Betongold an, also in Immobilien. Das ist allerdings in München und Umgebung kaum noch rentabel. Immobilien-Experten gehen von einer Preiskorrektur am Münchner Markt aus. Wohin also mit dem Geld? 

Kaufen Sie sich was Schönes! Es ist nichts Neues, in wirtschaftlich schwierigen Zeiten legen viele ihr Geld auch in Sachwerten an: Wein, Oldtimer, Uhren, Juwelen, Kunst. Der Return ist materiell und emotional stabil. Nur muss man sich auskennen oder richtig beraten lassen.

Sprechen wir über Kunstinvest – wie findet man da den richtigen Preis?

Das ist zu kurz gefragt. Die Fragen nach einer Investition im Kunstmarkt können sehr unterschiedlich sein. Wollen Sie einen dekorativen Gegenstand erwerben, der eine sichere Investition darstellt? Oder sprechen wir über eine risikoreichere, aber womöglich rentablere Investition? Im Kunstbereich sind die elementaren Gesetze des Marktes außer Kraft. Ein Bild kann noch so lange in der Galerie hängen, es wird nicht günstiger. Es gibt da kein Sonderangebot zum Verramschen. Wer jetzt also einen echten Stieler, Spitzweg oder Renoir kauft, der wird ihn auch noch in fünf bis zehn Jahren für den Zuschlagspreis wieder verkaufen können. Man ist also sicher, dass man sein Geld zurückbekommt. Anders ist es bei jungen Kunstwerken von Künstlern, die noch nicht so bekannt sind. Das ist so ein bisschen wie eine Wette auf die Karriere des Künstlers. Nehmen Sie Jeff Koons oder Keith Haring. Als sie anfingen, dachte keiner daran, dass ihre Kunst je die Summen einbringen könnten, die sie heute erreichen. Die Beurteilung, welcher Preis für ein Kunstwerk angemessen ist, ist ein sehr schwieriges Unterfangen und erfordert besondere Expertise. Preise im Kunstmarkt steigen nicht nur, weil die Kunstwerke an sich wertvoller werden, sondern weil die Nachfrage steigt und sich mehr Geld auf dem Markt befindet.

Das heißt, um beim Beispiel Jeff Koons zu bleiben, es geht um eine grandiose Wette?

Werke, die versteigert werden, sind immer in der öffentlichen Wahrnehmung. Das heißt, die Auktionspreise haben Signalwirkung, weil sie, im Gegensatz zu Verkaufspreisen in Galerien, öffentlich sind. Was dort erzielt wird, wird kaum noch je günstiger werden. 

Aus den Auktionsverkäufen lässt sich eine Historie erstellen, sowohl für die „Biografie des Werkes“ als auch für die des Preisverlaufs. Es gibt sogenannte „Blue-Chip-Künstler“, wie z. B. Pablo Picasso, Andy Warhol, Gerhard Richter, Francis Bacon, Mark Rothko, Claude Monet, Alberto Giacometti, Vincent van Gogh. Ihr Wert wird in einem eigenen Index getrackt. Die Wertentwicklung ist daran ablesbar. 

Daneben gibt es Kunst, die Schlagzeilen macht. Da sind die 91 Millionen US-Dollar für Koons „Rabbit“ auf der New Yorker Christie‘s Auktion 2019, die den Rekordpreis für einen lebenden Künstler ausmachen. Sie können jetzt höchstens noch darüber spekulieren, wieviel die Biografie von Koons mit der Wertfindung zu tun hat. Koons studierte Kunst, arbeitete ab 1977 im MoMa und war parallel sechs Jahre lang als Broker an der New Yorker Wall Street tätig, um seine Kunstprojekte zu finanzieren. 

Aber wir können doch ein KUNSTWERK nicht nur unter dem finanziellen
Aspekt besprechen?

Die Beurteilung, welcher Preis für ein Kunstwerk angemessen ist, ist schwer. Unterscheiden Sie zwei Hauptstränge: die „marktfrischen“ und die „gesettelten“ Künstler. Der Künstlername beeinflusst den Preis. Je unbekannter, desto mehr Wachstumsmöglichkeit ist drin. 

Und welche Kriterien sollte man da anlegen?

Erste Werke eines Künstlers zu kaufen, kann pures Artist-Sponsoring sein. Aber ich empfehle zu überprüfen: welche Technik bietet er an, hat er schon einen Namen, ist er bekannt in der Szene, gibt es viele oder wenige Objekte des Künstlers oder der Künstlerin? In welchem Material, in welcher Größe? War der Artist an Ausstellungen beteiligt. Für sehr wichtig halte ich, welcher Galerist den Künstler vertritt. Das ist der Manager, der den Artisten professionalisiert. Wenn ein Galerist schon eingestiegen ist, sieht er Potential. Bei den „marktfrischen“ kann es gut sein, dass man nur 900 oder 3.000 Euro für ein Werk bezahlt, das aber in ein paar Jahren ein Vielfaches an Return bringt. Erfolgreicher Kunsthandel erfordert auf lange Sicht immer eine intensive Auseinandersetzung mit dem Künstler, die Aneignung von Insiderwissen und eine rege Teilnahme an Kunstevents. Es geht immer auch um die Freude am Kunstwerk. 

Können Sie Preisspannen nennen?

Das ist kaum exakt festzulegen. Man spricht davon, dass ein Invest von etwas 20.000 Euro im globalen Kunstmarkt einen Gewinnzuwachs von etwas 9 Prozent im Jahr bringen kann. Bei großer Investition, z. B. 100.000 Euro, könnten sie einen Gewinn von etwa 15 Prozent erhoffen. Inwiefern das jetzt in der Pandemie und mit der politischen Situation so bleibt, ist abzuwarten. Der Wert bleibt aber sicherlich erhalten. Wer in stabile Sachwerte geht, sichert sich gegen Inflation ab. 

Schauen wir auf die „gesettelten“ Künstler oder anerkannten Kunstwerke. Welche Kriterien gelten da?

Auch da ist die Gattung, der Künstlername und die Technik ein wichtiger Faktor für die Bewertung. Aber noch mehr kommen Kriterien wie der Erhaltungszustand, die Provenienz und eventuelle Ausstellungsorte zum Tragen. Wer anfängt in Kunst zu investieren, sollte sich zuvor mit Experten ins Benehmen setzen. Es gibt nie nur einen Experten, aber es gibt Institutionen, die sich spezialisiert haben. Kontakte findet man in Galerien und Auktionshäusern. Um sich vor Fälschungen zu schützen, sollte man immer eine zweite Meinung einholen oder kann auch Farbanalysen machen lassen. Man kann bereits ab etwa 1.000 Euro ein Werk, zum Beispiel eine Druckgrafik, eines am Markt etablierten Künstlers erwerben. 

Und welche Vorteile gibt es bei dieser gesettelten Wertanlage in Kunst?

Neben hoher Rendite ist das Handling im Vergleich zu Immobilien relativ einfach. Der Verkauf ist nicht aufwändig, man braucht keinen Notar und hat unter Umständen enorme steuerliche Vorteile. In der Erbschafts- respektive Schenkungssteuer ist unter bestimmten Voraussetzungen eine 60 prozentige, ja sogar bis zu 100 prozentige Befreiung möglich. 

Wenn ich an das teuerste Gemälde der Welt denke, frage ich mich, woher der Invest zurückkommen kann?

Das „Salvator Mundi“ von Leonardo da Vinci ist ein Einzelfall und ein Beispiel für die Marktmechanismen. Die 450 Millionen US-Dollar, die erzielt wurden, sind ein Weltrekord und ein Statement zur Begehrlichkeit in der Kunst. Ursprünglich war das Bild für rund 100 Millionen US-Dollar bei Christie‘s in New York aufgeru-fen worden. Das Auktionshaus hat es im „contemporary sale“ nicht im Altmeister-Verkauf, wo es eigentlich eingeordnet werden sollte, angeboten. Das war eine Marketing-Entscheidung. Damit wird der emotionale Faktor betont. Die Urheberschaft, also hat Leonardo das Bild selbst geschaffen oder nicht, war bei Experten immer umstritten. Es soll 1958 für 45 britische Pfund gehandelt worden sein, verschwand dann in der Vergessenheit. 2011 kam es in die National Gallery in London, dort wurde es als Leihgabe und echter Leonardo ausgestellt. Dann stieg der Preis.Der dänische Filmemacher Andreas Koevoed hat mit „The Lost Leonardo“ eine sensationelle Dokumentation, eigentlich ein Kunstthriller, dazu gedreht. Echt sehenswert!

Soweit man weiß, war der Verkäufer ein Oligarch, der russische Milliardär Dmitri Rybolowlew, dem auch der Fussballclub AS Monaco gehörte. ER soll es von dem Schweizer Kunsthändler Yves Bouvier für 127,5 Millionen US-Dollar gekauft haben und ihn dann wegen Wuchers verklagt haben. Es sind also spannende Geschichten garantiert. Was begrenzt denn den Markt?

Ob man von begrenzen sprechen kann, sei dahingestellt: Zwei wichtige Stichworte sind die Provenienz-Forschung und das Kulturgutschutzgesetz. Es ist ein No-Go, Werke mit Entstehungszeit vor 1945 mit unerforschter Herkunft und ohne Expertise zu erwerben. Und seit 2016 gibt es Regelungen, um den Handel mit Raub- und Kriegskunst und „national wertvollem Kulturgut“ zu verhindern. Das gilt jetzt auch EU-intern. Für deutsche Museumdirektoren ist das positiv. Zeitgenössische Künstler wie Georg Baselitz oder Gerhard Richter kritisieren das Gesetz. Dadurch seien Kunstwerke nur noch auf dem deutschen Markt verkaufbar und das bedeutet für diese Künstler einen finanziellen Schaden. 

Kennen Sie einen berühmten Künstler dessen Bilder im Wert verloren haben? 

Bei unseren Studien haben wir festgestellt, dass der höchste Wertzuwachs  bei einem renommierten Künstler nicht bei dessen Stilleben oder Landschaften, sondern bei dessen weiblichen Akten erzielt wird. Das liegt aber wohl auch daran, dass die Kaufkraft für Kunst heute noch immer bei Männern zwischen 55 und 65 Jahren liegt. (schmunzelt). Ein Kunstwerk ist eine Welt, nicht nur Nachahmung der Natur, sagte der russische Maler Alexej Jawlensky (1865- 1941) einmal. Kunst hat immer Wert.