GENUSS

Tantris Inside – Große Kochkunst

Die deutsche Restaurant-Legende bricht auf in die Zukunft. Mit zwei neuen Küchenchefs: Virginie Protat und Benjamin Chmura. Ein Besuch.
Autor: 
Sonja Still
, Fotograf: 
Advertorial
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Tantris Inside – Große Kochkunst

Es gibt viele Möglichkeiten, über die Ikone des Münchner Gourmetrestaurants Tantris zu sprechen. Faktisch geht es um die Herstellung von Nahrung in einem architektonisch historischen Bau der bayerischen Landeshauptstadt, für die Menschen der jungen Generation intensiv arbeiten. Doch darf man sich je so reduziert über das Tantris austauschen? Ist es nicht Sünde, sich über einen Tempel des edelsten Genusses, eine Kathedrale der Gourmets, einer Arena der Kochkunst so zu äußern? Aber was wäre noch zu formulieren, was nicht schon gesagt wurde? Vielleicht dieses: Im neuen Tantris stimmen all diese Superlative noch immer, aber im neuen Tantris wird auch die Essenz eines leuchtenden Versprechens kredenzt.

Man könnte zunächst von der Speisekarte berichten. Da steht zum Beispiel „Côte Bretonne“ – Wolfsbarsch mit Austern an Radieschen – drauf. Oder „Encre“ –
Sepia, Lardo und Parmesan. Und „Petit Bateau“ – Rotbarbe mit Oliven und Kapern. Als Nachspeise „Fleur de Vacherin“ – schwarze Johannisbeere mit Wacholder auf Baiser oder „Framboisier“ – Feigen und Himbeeren in Mandelkleid. Moderne französische Haute Cuisine wird geboten. Mittags gibt es vier oder sechs, abends sechs oder acht Gänge. Jeden Tag.

Doch das kulinarische Erlebnis allein ist es nicht, um das es geht. Es scheint eher um die Liebe zu gehen. Um die zum Lebensmittel, ausgestattet mit Respekt für Mensch und Tier. Benjamin Chmura und Virginie Protat machen das durch jeden Satz und ihre Art zu sprechen deutlich. Man könnte für einen Artikel einfach ein Menü servieren, dann wird das schon überzeugen. Aber sie nehmen sich Zeit. Erklären. Zeigen. Führen durch das Haus. Auch hinter die Kulissen, wo Gäste normalerweise nicht hinkommen.

Am Ende der Treppe zur Küche glänzen orange Fliesen. Orange Fliesen, rechteckig, hochkant verlegt. „Die Fliesen wurden für uns original nachgebrannt“, weist Benjamin Chmura extra darauf hin. Wer sich daran erinnert, dem wird ganz anders – das war doch gerade noch erst das neueste Interieur!? Für den 33-Jährigen sind sie Historie. Die berühmten orangen Fliesen sind für ihn verbunden mit der Geschichte seiner Vorbilder. Chmura hat das Menü-Restaurant des Tantris als Küchenchef vor einem guten Jahr übernommen. „Eckart Witzigmann durfte ich inzwischen kennenlernen. Er stand hier am Pass.“ Virginie Protat, seine Teamplayerin, nickt. Stolz und Respekt klingen durch, wenn sie davon sprechen. Virginie ist 31 Jahre alt, kommt aus Lyon, verantwortet das Tantris DNA. Das ist das À-la-carte-Restaurant des Tantris Maison Culinaire. Die beiden kennen sich aus ihrer Studienzeit am Institut Paul Bocuse in Frankreich.

Für alte Gourmets sind das alles Signalworte: Paul Bocuse, französische Haute Cuisine, Eckhart Witzigmann, der diese Küche nach Deutschland holte in Zeiten, als Essen sich dann als gut erwies, wenn viel auf dem Teller war. Zwei Sterne bekam er damals, 1973. Es war die höchste Wertung in ganz Deutschland. Als Heinz Winkler übernahm, kam der dritte Stern dazu. Dann Hans Haas, eine Ikone, der mit Kontinuität höchste deutsche Gourmet-Wertarbeit lieferte. Über Jahrzehnte. Sie alle: Männer, die allein in vorderster Reihe glänzten und von denen erzählt wurde. Zumeist von anderen Männern, die schöne Frauen in dieses Haus der Extravaganz führten. Die nicht nur davon sprachen, was sie serviert bekommen hatten, sondern sich damit schmückten, dass sie sich direkt und wirklich, quasi als Freund, spät noch mit dem Chef unterhielten, lange und fidel. Solcherlei Erlebnissen dürfte es wie den orangen Fliesen gehen: Geschichte. Glänzende Storys, die vorbei sind?

Doch das hieße, man unterschätzt die Inhaberfamilie, Familie Eichbauer. Die glänzende Story wird weitergeschrieben. Mit den Farben der Jetztzeit. „Wir wollen kein Gourmet-Tempel sein, wir verstehen uns als Ort in der Mitte der Gesellschaft“, sagt Felix Eichbauer, der Sohn des Gründerpaares. Ihm geht’s um die Zukunft, die positiv gestaltet werden soll. Er nimmt auf, was die Gesellschaft debattiert.

Zum 50-jährigen Bestehen wagte man es, ein Galadiner  ohne Fleisch und Fisch zu offerieren. Nachhaltigkeit, positiver Anspruch, Teamplay sind jetzt die Stichworte, die zählen. Und von den Gästen ist heute jeder wichtig. Das Tantris war – das kann, wer in München lebte, bezeugen – immer wegweisend. Es ging mit offenem Blick neue Wege. Mit Ideen, die dann die ganze Stadt durchzogen.

Das Tantris ist also ein Haus, das immer schon modern war. Künftig tritt es als Maison Culinaire auf, es gibt nicht nur das eine Restaurant, sondern auch das DNA und die Bar. Das Tantris Maison Culinaire ist eine ganzheitliche Genussmanufaktur. Mit zwei Restaurants, zwei Küchen, einer Pâtisserie und Bäckerei, einer eigenständigen Bar, die sieben Tage geöffnet hat, und einem über fünf Jahrzehnte gewachsenen Weinkeller. Der Weintresor, für den Nicolas Spanier, Wine Director, verantwortlich zeichnet, steht im Mittelpunkt des Geschehens. Einsichtig und doch undurchdringlich. Auch sonst ist noch alles so, wie es war, die roten Farben vor dem grauen Beton draußen, die orangenen  Wände im Restaurant, die grauen im Gartensalon, die Bar von 1971. Eine Wand mit ... Kunst  von Michael von Hassel.

Erhalten blieb vor allem der besondere Augenblick, wenn man durch die Drehtür kommt: Für einen winzigen Moment gehört dem Gast ganz allein der große Raum.

Beim Umbau hat Sabine Eichbauer, Architektin, unter anderem die Laufwege optimiert, die komplette Haustechnik sowie die Küchen erneuert und die erste ursprüngliche Treppe wieder freigelegt. Sie erinnert an die Zeit, als das Tantris entstand, damals in einem München, das Zukunft atmete im Olympia-Fieber. Es war die Zeit, in der viele glaubten, sie könnten Zukunft kaufen. Eine Zeit, in der der Senior Fritz Eichbauer damals unendliches Geld investierte und mit Charme sagte: „Von dem Geld, das mich das kostete, hätte ich ein Schloss kaufen können. Aber wohin hätte ich dann zum Essen gehen sollen?“ Heute könnte er vielleicht formulieren: Ich hätte mir einen Flug ins All kaufen können von dem Geld, das ich hier investiere. Aber was wäre dann aus Zukunftsaussichten und Lebensfreude geworden?

Die Zeitenwende ist im Tantris wohl schon angekommen. Es geht ums Gemeinsame. Das ist das Thema, um das das Gespräch mit Virginie und Ben kreist. Es geht ums Zusammen-etwas-Schaffen, um sein Bestes zu tun, damit etwas herauskommt, das zur höchsten Ehre gereicht und dem Gast Freude bereitet.

Ben und Virginie sollen diese Zukunft gestalten. Sie sprechen über ihr Handwerk, über die Möglichkeiten, nachhaltig, gesund zu kochen. Aber sie wollen sich nicht allein dafür in den Blick stellen. Da ist Maxime Rebmann. Der Franzose, der die Bäckerei – im deutschen Bäckerland –
und die Pâtisserie, die genuin französische Dessertkunst, verantwortet. Da ist Nicolas Spanier, der Wine Director und Mathieu Mermelstein, Chefsommelier DNA. Und Jörg Krause, der Barchef, sowie Mona Röthig, Directrice des Restaurants.

Ben Chmura, wäre er nicht jetzt, sondern damals, 1971, gekommen, müsste sein Ego viel mehr in den Vordergrund des Unternehmens drängen, um zu bestehen. Das tut er nicht. Das macht die Presse, die ihn heraushebt, damit sie ein Gesicht für ihre Story hat. Er selbst tritt ganz zurück. Spricht sich mit Virginie schnell ab, was sie zu Fragen der Journalisten meint. Die, ganz Französin, erklärt mit selbstverständlichem Selbstbewusstsein, très charmante, dass sie doch beide ihre Ausbildung und Erfahrung haben. Es geht doch nicht nur darum, neue Foodtrends zu kreieren oder Menüfolgen zu inszenieren. „What do we want to be for the people who are going into this restaurant? “, fragen sie zurück.

Auf dem Weg durch die Küche stellt Ben Maxime, Nicolas und Mathieu vor. Zeigt freudig, was er alles mit der Architektin Sabine Eichbauer und Matthias Hahn, Executive Chef und Management Director aus Paris von Alain Ducasse, den Küchenbauern, den anderen Verantwortlichen in diesem Kosmos abgesprochen und gebaut hat, erzählt davon, wie er gerungen hat, welche Einrichtung sinnvoll ist für die besten Arbeitsabläufe. Sie alle beherrschen ihr Handwerk. Das auf bestem Niveau zu halten, dafür brennen sie. Virginie flirrt um ihre Herde und sorgt dafür, dass der Flow im Ablauf bleibt. Für den Betrachter wirkt sie wie eine Dirigentin, die choreografiert.

Es gibt zwei Küchen, eine fürs DNA, eine fürs Tantris. Dazwischen laufen fünfzehn, zwanzig junge Menschen, scherzen leicht dahin, während sie konzentriert die Töpfe jonglieren. Wären sie nicht alle in ihrer Kochmontur gekleidet, man fühlte sich wie in einem Club. Die Leute smart. Bewegen sich tänzerisch. Also fast. Englisch ist die Sprache, auf der sich alle verständigen. Zahlreiche Nationen arbeiten im Team, 60 Leute sind es. Eine Japanerin trägt Sashimi von der extra ausgestatteten Fischstation. „Das ist unglaublich, dass wir hier so eine Station haben“, erklärt Ben. „Wir haben lange daran getüftelt, denn in herkömmlichen Küchen ist das Entschuppen von Fisch eine Herausforderung für den Abfluss.“ Beim Gang durchs Allerheiligste des Restaurants geht es, wird hier klar, ums Handwerk. Die Instrumente müssen stimmen, die Zutaten, die Atmosphäre.

Wie soll Hochleistung erbracht werden, wenn der Chef brüllt und mit Pfannen wirft? Das ist üblich gewesen, gehört noch zum alten Narrativ der großen Küchenmänner-Mär. Das soll’s am Land auch noch geben. Aber hier in München, im Zentrum der Zukunft, hat so etwas keinen Platz mehr.

Zurück an der Bar plaudern Ben und Virginie noch verbindlich und zugewandt über ihre Eindrücke an diesem Ort, in dieser Stadt und ihrem Leben. „Doch, ja, München ist großartig“, sagt Virginie. Bevor sie in diese Stadt zog, war sie noch nie da. Aber es gibt vieles, was sie an Frankreich erinnert. Radi und Radieserl, die sind besonders. Daheim hat sie die nur als Speise mit einem Stückchen Butter in der Mitte gekannt. Bayerische Küche hat offenbar viel von Frankreich aufgenommen? Naturellement! Und Ben schätzt den Kren, den Meerrettich. Für seine sanfte Schärfe. Er ist geboren in Kanada, aufgewachsen in Belgien, der Vater, ein sehr angesehener Dirigent aus Israel, die Mama Münchnerin. Er spricht Englisch, Französisch, Deutsch. Übersetzt, wenn es stockt. Erinnert, wie es war, als er bei der Oma in Schwabing zu Besuch war, Kartoffelsuppe oder Schweinsbraten und Knödel bekam.  Von ihr hat er die ersten Geschmäcker auf der Zunge zu differenzieren gelernt. Dann das Handwerk gelernt und sein Talent geformt, dafür in den besten Restaurants rund um den Globus gearbeitet. Nun also München. Tantris. Dem Ort der Gourmets, an dem sich das Wesen des Geschmacks konzentriert, damit die Zukunft weiterhin leuchtet.

Dann wollen sie doch zurück zum Herd. Es sollen nicht die anderen nur die Arbeit machen. Sie sind ein Team.

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