Unter den Top Ten der beliebtesten Insekten dürften Bienen ziemlich weit oben landen. Entsprechend groß ist das Interesse an ihrem Schutz. Die Vorstellung, das vieldiskutierte Insektensterben könnte auch Majas populäre Verwandtschaft treffen, lässt viele Menschen aufhorchen. Sie säen dann bienenfreundliche Blumenmischungen in ihren Garten, hängen sogenannte „Bienenhotels“ auf oder halten gleich ein ganzes Bienenvolk auf ihrem Balkon. „Seit gut zehn Jahren erleben solche Maßnahmen europaweit einen regelrechten Boom“, sagt Bienenexpertin Sabrina Gurten von der Universität Innsbruck. Allerdings sei nicht jedes gut gemeinte Engagement auch gut gemacht.
Die Schwierigkeiten fangen schon damit an, dass Biene nicht gleich Biene ist. Weltweit gibt es mindestens 20.000 Arten von Wildbienen mit jeweils eigenen Ansprüchen. Doch diese Vielfalt fliegt weitgehend unter dem Radar der Öffentlichkeit. „Wenn es um die Rettung von Bienen geht, haben viele Menschen erst einmal nur die bekannten Honigbienen auf dem Schirm“, sagt Sabrina Gurten.
Viele Städte werben inzwischen mit den fleißigen Völkern, die oft an prominenten Standorten eine Heimat gefunden haben. In Berlin zum Beispiel leben seit 2011 rund 30.000 Honigbienen auf dem Dach des Abgeordnetenhauses, weitere Kolleginnen summen etwa um das Jagdschloss Grunewald, den Berliner Dom oder das Haus der Kulturen der Welt.
Betreut werden diese Völker von erfahrenen Imkern. „Es gibt aber auch zahlreiche Hobby-Halter, die sich einen Bienenstock in den Garten oder auf den Balkon stellen“, sagt der Stadt-Ökologe Ingo Kowarik von der Technischen Universität (TU) Berlin. Entsprechend stark hat die Zahl der Stadt-Bienen zugenommen. Und das gilt keineswegs nur für Berlin. Auch Paris, London oder New York summen vor Honigbienen. Wie rasch die Zahlen ansteigen können, haben Joan Casanelles-Abella und Marco Moretti von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) in 14 Städten in der Schweiz dokumentiert. Dort wurden noch im Jahr 2012 im Schnitt gut sechs Kolonien pro Quadratmeter gehalten. Sechs Jahre später waren es schon mehr als acht.
Was aber bedeutet das für die wilde Verwandtschaft der Honigbienen? Die ist seit den 1990er Jahren ohnehin schon auf dem Rückzug. Der Verlust von Lebensräumen, eine zu intensive Landwirtschaft, der Einsatz von Pestiziden und auch der Klimawandel haben den Wildbienen das Leben vielerorts schwer gemacht. In dieser Situation finden sie in Städten noch vergleichsweise gute Lebensbedingungen. Denn in Grünanlagen, in Gärten und auf Balkons wird nicht nur weniger gespritzt. Sie bieten auch das ganze Jahr über ein relativ vielfältiges Angebot an Blüten. „Städte sind für Wildbienen deshalb sehr wichtige Rückzugsräume“, sagt Ingo Kowarik. „Dort lebt eine große Vielfalt dieser Tiere.“
Für sie aber könnte der Honigbienen-Boom zum Problem werden. Denn zum einen können die fliegenden Haustiere vermehrt Infektionskrankheiten auf ihre wilde Verwandtschaft übertragen. Zum anderen fressen sie ihr womöglich den lebenswichtigen Pollen und Nektar weg. Indizien für eine solche verstärkte Konkurrenz gibt es beispielsweise in Montreal und Paris. „In Berlin konnten wir solche Effekte allerdings bisher nicht nachweisen“, berichtet Ingo Kowarik. Und auch in anderen Städten zeichnen die Untersuchungen kein klares Bild. Ob die Honigbienen ihre wilden Verwandten tatsächlich verdrängen, ist daher nach wie vor umstritten.
„Um etwas für Bestäuber zu tun, gibt es aber ohnehin viel effektivere Möglichkeiten, als sich ein Bienenvolk anzuschaffen“, betont Sabrina Gurten. Die Lebensbedingungen für Wildbienen zu verbessern, ist aus ihrer Sicht der deutlich bessere Ansatz. Allerdings sind diese Insekten recht anspruchsvolle Nachbarn, die gar nicht so leicht zufriedenzustellen sind. Ein guter Lebensraum muss für sie nicht nur genug Nahrung bieten, sondern auch Nistmaterial und Kinderstuben – und das alles auf kleinstem Raum: Während Honigbienen durchaus zwei Kilometer bis zu einem guten Futterplatz fliegen können, sind ihre wilden Verwandten je nach Art nur in einem Radius von 50 bis 200 Metern unterwegs. Wenn sie dort nicht alles Nötige vorfinden, können sie nicht überleben. Doch für etliche Arten können ein Garten und selbst ein Balkon durchaus zu einer attraktiven Bleibe werden.
Von sogenannten „Bienenhotels“, die verschiedene Nistmaterialien in einem Holzrahmen vereinen, können allerdings nur wenige Wildbienen profitieren. Etwa zehn Arten mit eher breit gefächerten Vorlieben nehmen solche Angebote gerne an, die häufigsten davon sind die Gehörnte und die Rostrote Mauerbiene. Insgesamt aber leben in Mitteleuropa zwischen 600 und 750 Wildbienen-Arten, von denen die meisten im Boden nisten oder andere Kinderstuben bevorzugen. Ein Bienenhotel hat für sie keinerlei Reiz. Doch auch sie kann man mit geeigneten Angeboten in den eigenen Garten locken.
„Sehr wertvolle Nistplätze sind zum Beispiel sandige Stellen, die in der Sonne liegen“, sagt Ingo Kowarik. Auch mit feuchtem Lehm oder mit Abbruchkanten an Wegen, mit Steinen, Trockenmauern oder morschem Holz können etliche Arten etwas anfangen. Und wer Brombeerranken oder abgestorbene Pflanzenstängel den Winter über stehen lässt, bietet ebenfalls wertvolle Ressourcen. Denn es gibt etliche Wildbienen, deren Nachwuchs sich darin entwickelt und dann im Frühjahr schlüpft. „Am besten ist es, wenn man eine möglichst große Vielfalt von solchen Strukturen schafft“, sagt der Ökologe.
Auch das nützt aber nichts ohne das passende Blütenangebot. In einem bienenfreundlichen Garten sollte es vom Frühling bis zum Herbst ein möglichst reichhaltiges Pollen- und Nektar-Buffet geben. Und das zu schaffen, muss nicht einmal viel Arbeit machen. „Wer seltener den Rasen mäht, damit Gänseblümchen, Löwenzahn und andere Wildpflanzen zur Blüte kommen, hat schon etwas gewonnen“, erklärt Ingo Kowarik. Auch gute Bienenrestaurants gezielt anzupflanzen oder auszusäen, hält er für eine gute Idee. Wichtig sei dabei die richtige Auswahl der Pflanzen. Glockenblumen zum Beispiel seien für viele Spezialisten interessant. Das Gleiche gelte auch für Lippenblütler wie Salbei und Lavendel.
Generell ermutigt Ingo Kowarik alle Bienen-Fans, ihre Gärten möglichst naturnah zu gestalten und zu bewirtschaften. Auf Pestizide zu verzichten und einen kurzgeschorenen Rasen in eine seltener gemähte Wiese zu verwandeln, sei immer eine gute Idee. Größere öffentliche Grünflächen solle man am besten streifenweise mähen, so dass den Tieren auch nach dem Schnitt und über den Winter Rückzugsräume bleiben. Das alles sei nicht nur im Interesse der Bienen, betont der Forscher. Die populären Insekten sind für ihn ein Flaggschiff, in dessen Schlepptau auch zahlreiche weitere Arten von Tieren und Pflanzen segeln: „Mit ihrer Hilfe können wir positive Effekte für die biologische Vielfalt der Städte insgesamt erreichen.“
Tipps für Bienenhotels
Ein falsch konstruiertes Bienenhotel kann mehr Schaden anrichten als Nutzen bringen. Besonders kritisch sind Modelle, bei denen Glasröhrchen das Beobachten der Aktivitäten im Inneren des Hotels ermöglichen sollen. Denn dieses Material lässt keinen Wasserdampf durch, so dass sich darin Feuchtigkeit ansammelt. Deshalb werden diese Röhrchen oft zu einer Brutstätte für Pilze und damit zur Todesfalle für den Bienennachwuchs.
Auch bei den im Hotel angebotenen Nistmaterialien kann man einiges falsch machen. Holzstücke mit hineingebohrten Löchern zum Beispiel sind für einige Wildbienen-Arten zwar durchaus attraktiv. Vor allem, wenn sie aus Esche oder anderen Laubhölzern bestehen. Man sollte aber von der Seite ins Holz bohren und nicht in die Schnittfläche mit den Jahrringen. Sonst entstehen leicht Risse, in denen oft Parasiten, Pilze oder Räuber lauern. Zudem können sich die Bienen die empfindlichen Flügel an Splittern verletzen, wenn sie dort hineinfliegen.
Darüber hinaus sollten die verwendeten Holzstücke nicht zu flach sein. Denn um ihre Brut vor hungrigen Vogelschnäbeln zu schützen, nutzen viele Wildbienen einen Trick: Die ersten Zellen am Eingang der Kinderstube lassen sie leer. Diese Sicherheitsmaßnahme aber funktioniert nur bei ausreichend Platz. Zwanzig Zentimeter sollte das Loch daher mindestens ins Innere des Holzes reichen.
Mit Holzwolle oder Zapfen können Bienen dagegen überhaupt nichts anfangen. Umso attraktiver sind solche Angebote aber für Räuber wie Wespen und Spinnen. Gerade in großen Hotels warten diese manchmal regelrecht auf Bienen und fressen deren Brut. Besser ist es daher, nicht alle Nistangebote an einem Ort zu konzentrieren, sondern lieber mehrere Elemente im Garten oder auf dem Balkon zu verteilen. Diese sollten in Richtung Süden, Südosten oder Südwesten an sonnigen, regen- und windgeschützten Stellen installiert werden – und am besten mehrere Jahre lang auch über den Winter dort bleiben.