GENUSS

Qualität aus Leidenschaft – Michael Käfer

Der Gastronom hat aus Feinkost Käfer ein Imperium gemacht. Seit Jahrzehnten hält er sich trotz aller Auf- und Ab-Bewegungen an der Spitze der Branche. Seine Großeltern hatten 1930 ein kleines Kolonialwarengeschäft gegründet. Das war die Grundlage zum Käferschen Schlaraffenland. Ein Interview.
Autor: 
Sonja Still
, Fotograf: 
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Qualität aus Leidenschaft – Michael Käfer

Der erste Eindruck, den ich von Ihnen hatte, war die Eröffnung des P1 – ich wollte unbedingt rein, meine Mutter hatTE es verboten. Darum also beobachtete ich genau, was Sie da machen. Das war damals einfach groß: nicht jeder kam rein, aber jeder redete darüber. Die ganzen Promis, Tina Turner, Whitney Houston, Woody AlLen gaben genug Stoff dafür. Nicht jeder fand es gut, was Sie tun und trotzdem finden alle Grund, über Ihr Angebot zu reden. Aber das P1 zeigte als erstes, dass Sie das richtige Feeling für die Branche haben, oder?

Also man darf das Feeling nicht so wichtig nehmen, sodass man sich überschätzt, aber ich glaube schon, dass ich ein Gefühl für Tendenzen und Entwicklungen habe. Damals zeigte sich das zum ersten Mal. Es ist wichtig. Aber ich glaube, mindestens genauso wichtig ist, dass man in dem Beruf, in dem ich arbeite, auf Menschen zugehen können muss. Man muss Menschen „gerne haben“, in dem Sinne, dass man sich auch in sie hineinversetzen kann. Das ist nicht nur für Kunden wichtig, das ist auch hier im Unternehmen wichtig, wenn man junge oder neue Mitarbeiter führen muss. Das ist etwas, das ich meinen Mitarbeitern immer wieder ans Herz lege: Schaut, wie sich der Kunde vor der Theke fühlt. Ist alles in Ordnung? Wie empfindet er es, dazusitzen, welchen Blick nimmt er? Es sind viele, viele Kleinigkeiten, die sich in meinem Beruf zu einem großen Ganzen fügen und dem Kunden ein gutes Erlebnis schenken. 

Das klingt danach, als könne man alles planen, aber man hat doch nicht alles in der Hand, wenn man jetzt, wie Sie, das Unternehmen seit 35 Jahren führt. Noch dazu, wo Ihre Startbedingungen nicht so luxuriös waren?

Selbstverständlich muss man auch etwas Glück haben. Aber nicht nur, es ist ganz wichtig, auch Niederlagen zu erleben. Man muss nur daraus seine Erkenntnisse ziehen und sich nicht als Opfer der Umstände sehen, sondern es als Erfahrung werten. Das ist ein wichtiger Punkt! Freilich, ich habe auch das Glück, in der „richtigen“ Generation geboren zu sein. Mein Vater konnte erst den Party-Service aufbauen, das wäre vor dem Krieg nicht möglich gewesen. Danach hat er aber seine Chance genutzt. Und, das ist etwas, was ich unbedingt erwähnen will: Wir waren fleißig. Wir sind fleißig, wir wollen etwas schaffen und bleiben am Thema dran, müssen uns immer wieder ins Detail einarbeiten. Der Fleiß ist wichtig. Das wird heute oft in der ganzen Diskussion um Work-Life-Balance vergessen. Aber es geht nicht ohne Fleiß und Einsatz. Freilich fällt dann auch hin und wieder etwas im persönlichen Leben hinten runter. Aber der Fleiß ist substanziell, das lebe ich auch vor. 

In Ihrer Familie hätte es doch auch die Chance gegeben, einfach „normal“ weiterzumachen. Ein bisserl erben, ein bisserl arbeiten und dazwischen ein schönes Leben führen?

Nein. Das glaube ich nicht. Wir waren nicht vermögend, wir hatten ein gutes Geschäft gehabt, das meine Großeltern meinem Vater und meinem Onkel übergaben. Aber alles Geld, das wir hatten, steckte in der Firma, nicht im Privatvermögen. Meine Vorfahren haben einen guten Namen geschaffen, der war mein Kapital. Nicht das Vermögen. Um meinem Onkel und meinem Vater ihre Anteile auszuzahlen, habe ich damals einen Kredit aufgenommen – und auch bekommen –, den ich zwei Jahrzehnte abbezahlt habe. Mein Onkel hat eine Leibrente erhalten. Das, was in der Firma steckte, war deren Vermögen. Sie mussten doch ihr Leben noch gut gestalten können.

Ihr Vater war ein recht kantiger Charakter, mit ihm lief es doch nicht so einfach?

Das ist bekannt, ja. Aber, wenn man älter wird, relativiert sich viel und man sieht viele Dinge anders. Und mein Vater war eine typische Kriegsgeneration, 1932 geboren. Er hat seine Jugend in dieser schlechten Zeit verbracht und auch in den Nachkriegsjahren war sicherlich nicht alles gleich gut. Aber er ist in den Aufschwung des Wirtschaftswunders hineingekommen und hat seine Chance genutzt. Später hat er dann sein Leben nachgeholt, das er versäumte hatte, er lernte berühmte Leute und eine Menge Frauen kennen. Nur gab es da schon meine Mutter und mich. Das war verletzend, aber im Nachhinein logisch. Er war so ein typischer Vertreter dieser bayerischen Generation, die dieses „Mir san mir“ vertreten haben, für die Franz Josef Strauß der größte Hero war und die einfach wahnsinnig viel geleistet haben, viel mit Brachialgewalt durchgesetzt haben und bei denen es nur eine Meinung gab: die ihre. Aber er hat mit seiner Begeisterung alle mitgezogen, mit seinem Fleiß unglaublich viel geschaffen und eine wahnsinnige Kreativität gezeigt. Damit hat er die Leute, aber auch mich als Sohn, der ihn als Vater nicht erlebte, weil er nicht da war, begeistert. 

Seine Fußstapfen waren für Sie jedenfalls nicht zu groß. er könnte stolz auf Sie sein. Was hat Ihre Mutter eigentlich dazu gesagt?

Meine Mutter hat mich erzogen, sie war eine ganz bescheidene, wirklich wunderbare Frau, für die ihr Mann trotz allem immer die große Liebe blieb. Auch als sie geschieden waren und mein Vater wirklich knauserte mit dem, was er hätte zahlen sollen. Sie sehen: Es gab keinen Reichtum, der da am Anfang meiner Laufbahn stand. Ich habe dann die Firma abgekauft, als mein Vater sie verkaufen wollte. Im Nachhinein war das alles richtig, aber man muss das durchhalten. Es ist eine lange Zeit über die Jahrzehnte, das war nicht immer einfach. Ich hatte echte, echte Tiefen, wo es Spitz auf Knopf stand. Heute sehe ich es als richtig an, heute habe ich aber auch selbst Kinder und denke darüber nach, wie es mit ihnen einmal laufen wird. Durch diese Erfahrungen habe ich selbst wahnsinnig viel gelernt.

Und was ist Ihre wichtigste Lernkurve, die Sie geflogen sind?

Ich würde sagen, dass für Unternehmer an allererster Stelle Liquidität steht, an zweiter Stelle steht dann der Gewinn. Liquidität ist viel wichtiger. Wenn etwas passiert, kann man reagieren. Gerade in schwierigen Zeiten, wie jetzt während der Pandemie. Corona war für uns kein Problem, weil einfach genug Liquidität da ist, auch wenn es noch mal ein Jahr länger gedauert hätte, wäre die Firma nicht untergegangen. 

wie schaut die Zukunft aus? Lebensmittel, künftige Ernährung, Klimawandel? Es gibt genug Schlagworte, die einen gerade beunruhigen können.

Das Ernährungsverhalten verändert sich sehr, aber das Sehr ist relativ. Wir haben gerade ein vegan-vegetarisches Restaurant aufgemacht, das gut läuft. Aber wir erkennen auch, dass diese Zielgruppe nicht so groß ist, wie man immer denkt. Das ist eine Szene, aber keine große Gruppe. 

Was sich sicherlich verändern wird, ist der Umgang mit Fleisch. Wir werden nach wie vor Fleisch essen, aber die Herkunft, die Qualität und das Tierwohl müssen stimmen. Fleisch wird Luxus werden, es wird eher künftig die Beilage am Teller sein als der Hauptanteil. Luxus war früher, die teuerste Flugreise zu machen. Künftig wird es die perfekte Kartoffel vom Bauern um die Ecke sein oder der richtig gschmackige Apfel vom Bodensee. Ernährung wird wichtiger, weil die Menschen älter werden, aber sie wollen weniger Krankheiten haben beim Älterwerden und da hängt viel von der Ernährung ab.

wo können sie sich dann noch abgrenzen als Feinkost-Anbieter?

Wir müssen das machen, was wir können: Lieferanten finden, die ihre Produkte in so kleinen Manufakturen herstellen, dass man genau weiß, was drin ist und wo es herkommt. 

Dafür ist Ihre Firma doch eigentlich schon zu groß?

Nehmen Sie unser Wiesn-Zelt auf dem Oktoberfest. Wir haben einen Hendl-Lieferanten, der nur für uns arbeitet. Er züchtet etwa 5000 Hühner, die nur für diesen Zeitpunkt gezogen werden. Sie laufen auf einem freien großen Gelände und werden gut ernährt. Oder wir haben einen Brot-Lieferanten aus Wien, der macht sein Brot von Hand und lässt es auch ruhen, schiebt nicht nur Teiglinge ins Rohr. Solche Handarbeiter müssen wir finden. Das ist unsere Aufgabe, darin haben wir eine Chance, uns vom Supermarkt zu unterscheiden. Die Discounter haben ihre Premium- und Deluxe-Angebote, aber das wird sich reduzieren, weil die Produzenten umstellen müssen.

Wir müssen dagegen wieder das Erlebnis des Besonderen bieten und dafür auch im Service mehr ausbilden. Auch die Quereinsteiger müssen ihre Ausbildung bekommen und die Verbindung zum Kunden lernen. Wir brauchen bestes Personal. Ob als Küchenchef oder als Kellner. 

Ihr Party-service und Ihre Supermärkte bräuchten vielleicht auch weniger Verpackungen, um iM Sinne der Nachhaltigkeit nach vorne zu kommen. Was planen Sie da?

Nachhaltigkeit ist bei uns in der Führung angesiedelt, und ein irrsinnig wichtiges Thema. Aber der Kunde muss auch mitmachen! Ob das nun wiederverwendbare Verpackungen sind oder im Partybereich Dekoration und Buffet. Es muss nicht einfach üppig sein, damit es was hermacht!

Das müssen Sie genauer erklären

Was für mich das allerwichtigste Thema ist, ist „Foodwaste“, dieses Wegwerfen von Essen. Aufgrund von Hygiene-Vorschriften dürfen wir nichts vom Buffet wiederverwerten. Nur weil wir beide da danebenstanden, darf man es niemandem mehr geben. Grundprodukte kann man wenigstens den Tafeln geben. Foodwaste macht einen Prozentsatz aus, der treibt mich zur Verzweiflung. Einerseits aus wirtschaftlicher Sicht. Wenn wir das Geld, das wir mit Lebensmitteln wegwerfen, sparen würden, könnten wir schon mal unsere Mitarbeiter besser bezahlen und unsere Preise stabil halten. Aber die wenigsten Kunden sind schon so weit, dass sie ihr Buffet weniger üppig ausstatten – man könnte sich ja blamieren. Dabei kann man relativ präzise berechnen, wie viel gegessen wird. Man zieht ein Tier auf, um es dann als Produkt zu verarbeiten, und das wird dann einfach zum Teil weggeworfen! Das ist alles andere als wirtschaftlich und auch nicht ethisch. Andererseits, und das regt mich eigentlich noch mehr auf, geht’s wirklich auch um das Klima. Für jede Karotte, die angebaut wird, gilt das. Die Karottenbauern brauchen Dünger, der mit Gas hergestellt wird, und wenn wir dies nicht haben, wird der Kreislauf unterbrochen. Es gibt von allem weniger und dann schmeißt man auch noch so viel weg, also eigentlich der totale Wahnsinn. Wir hier werden nicht die großen Hungerszenarien fürchten müssen, aber wir sind Teil des Ganzen. Wir verbrauchen Energie und Ressourcen, damit viel statt gut produziert wird.

Und welche Idee haben Sie, um dagegenzuhalten?

Wir müssen darauf hinweisen. Wenn jetzt das Oktoberfest ist, wird wieder weggeschmissen. Aber der Kunde will natürlich auch eine Üppigkeit auf dem Teller haben. Für das Geld, was er auf der Wiesn für sein Hendl ausgibt, will er was sehen. 

Na, vielleicht hat sich die Wiesn einfach nach über 212 Jahren auch überlebt und München muss sich mit etwas Neuem positionieren. Aber das dürfte schwer werden, etwas in einem neuen Geist zu erfinden. Wie schaut denn Ihr Unternehmen aus, wenn wir jetzt mal beim 200. Geburtstag in der Zukunft vorbeischauen?

Das wäre also in gut hundert Jahren, weil hundert gibt es uns ja schon fast. Mein Sohn wäre dann 111 Jahre alt ... ich weiß nicht, ob er je einsteigen wird, aber er könnte es vielleicht erleben. Rein statistisch haben die Jetztgeborenen diese Lebenserwartung. Vielleicht gibt es dann noch diesen Feinkostladen Käfer, aber was die dann essen? Ich kann es mir nicht vorstellen. Vor hundert Jahren begann unsere Verbindung zu Paulaner, das hatte der Vermieter in den Geschäftsvertrag reingeschrieben. Es dürfe nur der Bierkutscher von Paulaner kommen, weil der sowieso die Wirtschaft nebenan beliefert und sonst zu viel Lärm in der Straße wäre, wenn noch ein anderer liefert. 

Sie könnten ja das Catering von Weltall-Hotels übernehmen, das erste soll doch bald eröffnet werden?

Oh je, das ist nichts für mich, ich habe Höhenangst und ich müsste doch den Betrieb selbst anschauen. Ich glaube, ich will, dass unser Name auch dann noch einen guten Klang hat. Vielleicht gibt es einmal eine Käferstraße, die an dieses Unternehmen erinnert, das in den Umbruchzeiten der 2020er Jahre seinen Weg gut genommen hat und die Kunden zufrieden machte.