TECHNOLOGIE & ZUKUNFT

Mental Health

Nur ein Schlagwort oder der Weg zu mehr Zufriedenheit? Mentale Gesundheit ist der Weg in eine freundlichere Zukunft. Dabei geht’s nicht drum, nur gepampert zu werden, sondern sich innerlich stabil zu halten. Der Versuch einer Einordnung.
Autor: 
Sonja Still
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Mental Health

Wir stehen vor dem Zeitalter der Resilienz. Das sagt jedenfalls der Zukunftsreport des Zukunftsinstituts von Matthias Horx voraus. Die Gesellschaft stehe heute vor einem Angstgebirge. Wir leben in einer Emotokratie, in der Affekte und Hysterien vorherrschen. Politiker oder Autokraten agieren aufgrund ihrer Gefühlslage, mit der sie reagieren oder unterdrücken, aber selten steuern. Angstwellen branden über die kollektive Psyche, ausgelöst durch abstrakte Gefahren, die allgemein am Horizont dräuen, wie Finanzkrise, Greta-Panik oder Corona und das Metaversum. Auch durch individuelle Bedrohungen wie Verarmung, Arbeitslosigkeit oder Überforderung im Job verlieren Menschen ihre innere Stabilität. Die Welt ist divers und komplex. Durchkommen durch diese Gefährdungslage wird, wer eine zentrale Zukunftskompetenz entwickelt: die Fähigkeit, adaptiv auf Krisen zu reagieren. 

Der Mensch ist gefordert, seine Resilienzkraft zu entwickeln. Das heißt, in sich stark bleiben und dennoch flexibel reagieren. Das darf man nicht verwechseln mit nur dranbleiben, denn das heißt ausblenden und weitermachen. Das half der älteren Generation nach dem Zweiten Weltkrieg. Aber das hilft der jüngeren Generation nicht mehr. Die Fähigkeit, sich mit Mental Health auseinanderzusetzen, ist also auch eine Frage des Alters. Den Experten zufolge sind alle, die heute in einem Alter von über fünfzig sind, nur noch eingeschränkt fähig dazu. Denn sie wurden anders geprägt. Parolen wie „Nicht jammern, weitermachen“, „Beiß die Zähne zusammen!“, „Halte durch!“ stehen dafür. Ratschläge, die heute alleine nicht mehr von Wert sein können. 

Ein Beispiel: Burnout und Stress. Diagnosen über die häufig gestritten wird, ob sie denn gerechtfertigt seien. Für die einen ist es noch immer pure Einbildung, für andere klare Erkrankung. Psychische Gesundheitsprobleme sind nach wie vor mit einem erheblichen Stigma behaftet. 

Es gibt inzwischen harte Fakten, die zeigen, wie viel echtes Geld solche (Vor-) Verurteilung die Wirtschaft kostet. Denn eine Studie für psychische Gesundheit zeigt: „39 Prozent der Menschen in Österreich waren in der Vergangenheit oder sind aktuell von einer psychischen Erkrankung betroffen. Nicht einmal drei Viertel der Befragten (63 Prozent) würden Familie und FreundInnen von einer psychischen Erkrankung erzählen, nur 21 Prozent den ArbeitskollegInnen.“ In Deutschland ist die Datenlage ähnlich bis gravierender. 

Eine Firma, die schnell reagiert auf Überlastungssymptome von Mitarbeitern, sorgt für alle: den Mitarbeiter und das Unternehmen. Bei Früherkennung entstehen deutlich weniger Kosten. Die Beispielrechnung: Wird Burnout nach nur rund einem Jahr diagnostiziert, kostet das die Volkswirtschaft etwa 1.000 Euro pro Person, bei späterer Diagnose, also nach etwa drei Jahren, kostet es 37.000 Euro pro Person. Die Kosten durch Krankenstand belaufen sich bei gleicher Zeitabbildung in den Personalausfallkosten zwischen 800 und 70.000 Euro.

Ist ein Mensch im Zustand der Mental Health, kann er seine Fähigkeiten optimal ausschöpfen, die Lebensaufgaben bewältigen und produktiv arbeiten. Der gesunde Mensch verfügt über gute Energieressourcen, die ein zufriedenes Leben ermöglichen. So kann er seinen Beitrag zur Gemeinschaft leisten und selbstbestimmt leben. 

Die Lebensführung von Jung und Alt war immer unterschiedlich. Keine Generation, die nicht über „die Jugend von heute“ stöhnte. Aber es scheint, als stehe die Gesellschaft vor einem Mind-Shift. Die Jungen machen weltweit das Hamsterrad-Leben nicht mehr mit. 

Selbst in China geht es der Jugend gegen den Strich, im Format zu leben. Durch das Internet kommt die junge Generation mit ganz anderen Ideen und Lebensmodellen in Berührung als die Generation davor, analysiert Sonja Maaß, Journalistin und Buchautorin.  Der Großteil der Freiheiten, um die es den jungen Leuten gehe, sei nicht unbedingt die politische Freiheit, sondern vor allem die Freiheit im gesellschaftlichen Sinne und das Aufbrechen bestehender Normen. „Tang ping“, „Flachliegen“, ist das Wort, mit dem sie in China ihre Rebellion beschreiben. Sie wollen das Leben leben, nicht nur fürs Kapital überleben. Das stehe dahinter. Sie wollen nicht als Wanderarbeiter Menschenmaterial sein, sondern für sich sorgen. Eine Einstellung, die der chinesischen Führung wohl nicht sonderlich gefällt. Doch man muss nicht nur auf China blicken, um zu sehen, dass die Jugend es anders will.

Die Jungen weltweit sind gut ausgebildet, auch wenn die Älteren den Bildungsstand kritisieren und manchmal den Untergang des Abendlandes bei diesen Nachkommen ausrufen. Aber wer hat’s ihnen denn vorgelebt? Wer hat sich denn durch „Ich bin so im Stress“-Ausreden selbst gesundheitlich vernachlässigt und es mit „Wir haben Verantwortung und finanzielle Verpflichtung“ begründet? Sie konnten die Verantwortung für sich weitgehend delegieren, an den Doktor, die Gewerkschaft oder die Politik. „Es ist Zeit, wieder mehr Selbstverantwortung für unseren Zustand zu übernehmen“, sagt der Wiener Arbeitspsychologe Tobias Glück. 

Die Jungen müssen künftig nicht nur körperlich, sondern auch mental fit sein. Die Jungen haben alle Möglichkeiten, sie müssen Entscheidungen treffen, wo die Älteren gar keine Wahl hatten. Das schaut nach einem Quantensprung in der persönlichen Lebensführung aus. 

Aber dabei ist auch die Wirtschaft gefordert. Firmen sind keine Demokratien. Unternehmen haben häufig keine Instrumentarien oder die Kultur, um mit Konflikten oder mit Menschen und ihren Emotionen umzugehen. Doch sie und wir werden es lernen müssen, wenn wir und sie weiter bestehen wollen. 

Definition der WHO (World Health Organization) von „Mental HEalth“

„Mental health is the foundation for the well-being and effective functioning of individuals. It is more than the absence of a mental disorder; it is the ability to think, learn, and understand one‘s emotions and the reactions of others. Mental health is a state of balance, both within and with the environment. Physical, psychological, social, cultural, spiritual and other interrelated factors participate in producing this balance. There are inseparable links between mental and physical health.”

Psychische Gesundheit schließt vor allem positive Faktoren ein: Arbeitszufriedenheit, Wohlbefinden, Engagement, individuelle Ressourcen. Das WHO-Regionalbüro für Europa hat 2020 ein neues Bündnis für psychische Gesundheit ins Leben gerufen, um die psychische Gesundheit als einen Schwerpunkt für das öffentliche Gesundheitswesen in den Ländern der Europäischen Union der WHO in den nächsten fünf Jahren zu etablieren und gezielt voranzutreiben.