KUNST & DESIGN

Digital und Kunst - Wie NFTs den Kunstmarkt verändern

Ist das Kunst oder kann das weg? Die berühmte Frage muss man wohl künftig umformulieren: Ist das Kunst oder Cryptowährung? Julia Finkeissen hat Vioventi Art gegründet, um neben ihrer Forschung an einer Hochschule Künstler zum digitalen Markt zu führen. Sie gibt Antwort darauf, was sich im Kunstmarkt durch Artprogrammierer verändert.
Autor: 
Sonja Still
, Fotograf: 
Advertorial
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Digital und Kunst - Wie NFTs den Kunstmarkt verändern

Die Frage muss meiner Ansicht nach lauten: Sind NFTs die Zukunft des Kunstmarktes? Denn „weg“ bekommen wir sie nicht mehr, die NFTs. Die Non-Fungible Tokens erobern seit spätestens Anfang des Jahres 2021 auch in der medialen Öffentlichkeit ihren Platz. Für knapp 70 Mio. Dollar wurde das Werk „Everydays: The first 5000 Days“ von Mark Winkelmann, der unter dem Künstlernamen „Beeple“ auftritt, versteigert. 

Die Reaktion von Öffentlichkeit und Kunstexperten rief Begeisterung, Erstaunen, Schock und fehlendes Verständnis hervor. Nur wenige Akteure sahen zu Beginn der Entwicklung schon die großen Möglichkeiten. Neben einer Erweiterung des Kunstmarkts durch neue Akteure bietet das Handeln über Cryptoplattformen große Transparenz, was die Provenienzforschung vereinfacht und den gesamten Markt demokratisiert. NFT-Plattformen wie OpenSea oder CryptoSlam ermöglichen Künstlern einfache, direkte Vermarktungsmöglichkeiten.

Mittlerweile nehmen NFTs auf allen internationalen Kunstmessen wie der Art Basel einen signifikanten Platz ein, und das, obwohl sie dort gar nicht verkauft werden können, da sie nur auf Cryptoplattformen gehandelt werden.

Als erstes Museum weltweit hat die Gemäldesammlung der Uffizien in Florenz Michelangelos Werk Tondo Doni als digital verschlüsselte, authentifizierte und einmalige Kopie versteigert. 160.000 Dollar war dieses rein digitale Werk einem römischen Sammler wert. Im Januar 2022 hat nun das ZKM, das Zentrum für Kunst und Medien in Karlsruhe, ein reines NFT Kunstwerk, einen CryptoMutt des Künstlers Kenny Schachter, erworben. Der Unterschied lässt sich so beschreiben: Ein Bild von Chagall, Picasso oder van Gogh ist etwas Greifbares und man kann es zuhause aufhängen. Ob echt oder als Kopie bestimmt mein Budget. Ein NFT gibt es nur in der virtuellen Welt. Ich habe nur einen Code.

Grund genug der Frage nachzugehen, inwieweit der weltweite Kunstmarkt sich in einem nachhaltigen Veränderungsprozess befindet.

Fangen wir von vorne an: NFT ist die Abkürzung für Non-Fungible Token. Fungible bedeutet austauschbar. Nicht austauschbare Tokens können im Cryptomarkt gehandelt werden. Sie verbinden ein Werk, hier ein Kunstwerk, mit einer fälschungssicheren Lizenz, dem Token. NFTs sind somit ein wichtiger Bestandteil des Metaverse geworden, einer wachsenden, rein digitalen Welt, in der jeder Akteur einen Avatar nutzen kann, um in einer für uns derzeit teils noch Erstaunen hervorrufenden virtuellen Welt zu interagieren. 

Wo also liegen die Vorteile der NFTs? Kenny Schachter von der New Yorker PACE Gallery sagt: „Jede Galerie mit einer Website wird NFTs erstellen, wenn nicht aufgrund der Weitsicht der Galeristen, dann aufgrund des Drängens der Künstler.“ Denn für die Künstler liegt in der neuen technologischen Möglichkeit der Mehrwert. Er kann künftig an jeder Preissteigerung durch Weiterverkauf partizipieren. Meistens erhält der Künstler bei jedem Weiterverkauf zehn Prozent der Wertsteigerung.  NFTs sind die Chance, goodbye zum Bild des brotlosen Künstlers zu sagen!  

Neben dem Künstler haben auch die Kunstsammler Vorteile: Selbst wenn kein Markt fälschungssicher ist, so kann man bei einem auf einer renommierten Plattform gekauften NFT derzeit mit großer Sicherheit davon ausgehen, dass es sich um ein Unikat handelt. 

Die Verbindung von Kunst mit Software als Medium erweitert den Handlungs- und Darstellungsraum bis ins Unendliche. Vorwärtsgetrieben haben den Markt hauptsächlich junge und Blockchain begeisterte Menschen, die zuvor meist mit Kunst wenig Berührung hatten. Über Crypto Communities findet ein schneller digitaler Austausch statt, der das Interesse bei vielen neuen Kunstliebhabern in einer schnelllebigen Zeit geweckt hat. Aber auch die langjährigen Sammler von zeitgenössischer Kunst oder gar von Alten Meistern beginnen sich für die neuen technologischen Werke zu interessieren. 

So wie ein Museum in Florenz nun sein jährliches Budget mit dem Verkauf von digitalen Nutzungsrechten an der Kopie großer Meister verkauft und damit die Museumskasse füllt für notwendige Restaurationsarbeiten der (analogen) Alten Meister, so kann ein Museum durch den Ankauf von Cryptokunst demonstrieren, dass es auch im Kunstmarkt schon tief eingetaucht ist in eine sich rasant digital entwickelnde Welt. 

Über Fraktionalisierung von Kunstwerken kann zudem das Eigentum an einem Kunstwerk in viele Teile, also viele Eigentümer, gesplittet werden. An Wertsteigerungen von bekannten Kunstwerken wie z. B. von Michelangelo, Chagall oder Picasso zu partizipieren ist dadurch auch mit kleinem monetären Einsatz möglich.

Ein gewachsener Kunstmarkt, neue Akteure und Interessenten: Wenn das nicht eine großartige Verbesserung für den Kunstmarkt ist!

So weit zum künftigen Markt. Doch wie kann ein Künstler, der bisher ein rein analoges, meist zweidimensionales Werk schuf, dies in den virtuellen Raum verlagern? Damit beschäftigen wir uns bei Vioventi Art. 

Junge Künstler, so habe ich erlebt, wissen oft wenig über den Kunstmarkt. Sie haben meist an einer Akademie studiert und konzentrierten sich da auf ihr Werk und das Finden ihres unverwechselbaren künstlerischen Ausdrucks. Der Markt mit den verschiedenen Akteuren, wie Sammler, Galerie, Auktionshaus, Kunstmesse und schlussendlich auch den Museen, war für einen Kunststudenten zu Studienzeiten noch weit weg. Der Kunstmarkt hat eigene Mechanismen, eigene Regeln. Auch die Vermarktung will gut überlegt sein. Ich arbeite mit jedem Künstler sehr individuell. Jeder hat seinen eigenen Zugang zur Kunst und meist eine genaue Vorstellung, wo er oder sie hinstrebt. Dies gilt es von Anfang an klar herauszuarbeiten, sodass man analog einen Fahrplan, einen Karriereplan konzipieren kann. Einen meiner liebsten jungen Künstler fragte ich in unserem ersten Gespräch: „Jakob, wo möchtest du hin? Was sind deine Ziele?“ Die Antwort kam schnell und klar: „Meine Arbeiten sollen irgendwann in den ganz großen Museen wie dem Louvre hängen.“ Was für die meisten normalen Menschen wie eine Luftblase im Traum wirkt, transformieren wir zu einem konkreten Ziel.

Auf dem Weg zu diesem Ziel gilt es auch, manchmal zu Angeboten Nein zu sagen, wenn sie eben nicht zum definierten Ziel führen. Das kann hart sein. Aber ich erinnere an den langfristigen Weg. Wer im Sport zu Olympia will, kann auch nicht dazwischen zurück in den Dorfturnverein wechseln.

In einer Zeit der Digitalisierung liegt es nahe, an digitalen Lösungen zu arbeiten. Auch in der Kunst. Wir konzentrieren uns mit unseren Künstlern darauf, das eigene, meist manuell erschaffene Werk in den virtuellen Raum zu verlagern. Es gibt Hemmschwellen, doch jeder Künstler, den wir dabei begleiten, ist nach kurzer Zeit begeistert von den unendlichen Möglichkeiten, die sich bieten. Die digitale soll die analoge Kunst nicht ersetzen, sondern das jeweilige Werk und die Darstellung ergänzen. Kreative Gemeinschaftswerke mehrerer Künstler zum Beispiel lassen sich so sehr viel einfacher gestalten. In einer digitalen Welt ist der Austausch auch im kreativen Feld sehr viel schneller möglich. Man kann gemeinsam Neues erschaffen durch ein digitales Zusammenfließenlassen der Werke mehrerer Künstler. Und man kann das kreative Schaffen um andere technologische Neuerungen ergänzen. Denn diese durchdringen den Kunstmarkt.
Ein Beispiel: 3D-Darstellungen. 3D-Bildschirme erlauben mittlerweile auch ohne 3D-Brillen das Betrachten und somit den Kunstgenuss in einer erweiterten Dimension.

Die Künstler, die an die neue Technologie herangeführt wurden, sind begeistert über die Möglichkeiten der Darstellung, die sich dadurch bieten. Ein junger Künstler, Jakob Steiger, beschreibt es so: „Ich habe in allen meinen Schaffensformen wie Malerei, Fotographie, digitale Bildbearbeitung einen Weg gesucht, den zweidimensionalen Rahmen zu verlassen und neue Ebenen zu schaffen, mit 3D-Screens ist dies nun möglich. Darüber hinaus kann mein Werk animiert werden und in die Bewegung kommen.“  Wir erweitern unseren Raum, sei es im virtuellen wie dem Metaverse oder in unserer realen Welt durch 3D-Technologie. 

Und das ist erst der Anfang. Noch befinden wir uns in den Kinderschuhen all dieser neuen Entwicklungen. Die kommenden Zeiten werden spannender und schneller als alles, was wir bisher erlebt haben. Ein Geschenk, daran teilhaben zu dürfen!